Volltext: Die Stiftungsurkunde des Klosters Kremsmünster

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Schließlich läßt sich aus den Abweichungen die wichtige Tat¬ 
sache konstatieren, daß die drei Kopien voneinander unabhängig sind. 
Nach dem paläographischen Befund wäre es möglich, daß der Passauer 
Kodex die Vorlage für die beiden anderen Handschriften abgegeben 
hätte oder daß die Niederaltaicher Kopie nach dem Codex Frideri- 
cianus hergestellt worden wäre. Doch läßt die Textvergleichung eine 
solche Annahme nicht zu. 
Würde der Codex Fridericianus direkt auf den Lonsdorfer Kodex 
zurückgehen, so ließe sich — von eventuellen Korrekturen oder 
Fehlern abgesehen—keine Erklärung dafür finden, wieso dem Krems- 
münsterer Kopisten die Worte terminis et sulcis oder terminum 
nostrum in die Feder kommen konnten. Da sie in der Passauer Hand¬ 
schrift nicht enthalten sind und auch nicht als willkürliche Interpola¬ 
tion gedeutet werden können, sind sie auf eine — vom Lonsdorfer 
Kodex verschiedene Kremsmünsterer Vorlage zurückzuführen. Es 
ist anzunehmen, daß sie sich hier erhalten haben, während sie bei 
einer Kopierung in Passau dem betreffenden Schreiber entfallen sind. 
Diese aus dem Text abgeleitete Annahme, daß sich in Passau und 
Kremsmünster zwei voneinander verschiedene Überlieferungen er¬ 
halten haben, findet in der Geschichte des Klosters insofern eine 
Stütze, als wir wissen, daß die Abtei im zehnten Jahrhundert un¬ 
mittelbares Eigentum der Passauer Bischöfe war, daß mit dem Besitz 
auch die Besitztitel an die Bischöfe gekommen sind.1) 
Auch für die Niederaltaicher Kopie haben wir eine vom Lons¬ 
dorfer Kodex verschiedene Vorlage anzunehmen. Woher hätte sonst 
der Niederaltaicher Kopist die alte Form Chremisa, da doch im Lons¬ 
dorfer Kodex Ghremsa überliefert ist? Statt super schreibt er richtiger 
siMer, statt ducatur duceretur, statt Gaozri, Utili, Salubho bringt er 
Caozrih, Utih, Saluhho. Andererseits weisen beide Kopien zahlreiche 
gemeinsame, von der Kremsmünsterer Abschrift verschiedene Formen 
auf: ad tartara, astantibus, devitare, Deoto, Magilo. Demnach sind sie 
auch auf eine gemeinsame Vorlage zurückzuführen. 
Versuchen wir das über die Überlieferung des Stiftbriefes Ge¬ 
sagte schematisch darzustellen, so ergibt sich folgender Stammbaum: 
(Verlorenes Original) 
(Verl. Pass. Abschr.) 
Lonsdorf. K. Niederalt. K. 
(Verl. Kremsm. Abschr.) 
Cod. Frideric. 
0 RK. 65.
	        
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