Volltext: Arras, Lille u. La Bassee (7,2 / 1916)

arzt sagte „Durchgegangen", weil schon tags vorher mein 
Pferd durchgegangen war. Infolge Erkrankung des Pferdes 
vom Stabsarzt hatte ich ihm meins gegeben und ritt einen 
großen Rappen, „Otto", ein ruhiges Tier; es ging auch zuerst 
ganz gut, bis wir galoppierten, es kriegte die Sporen, ging 
Karriere und war nicht mehr zu halten; so gings im Galopp 
etwa 4 Kilometer hindurch der Heimat zu nach Chauny. 
Dort zeigte eö sich, daß es die Kinnkette durchriffen und 
so die Kandare unwirksam gemacht hatte. Glücklicherweise 
blieb ich oben. 
In A. weht natürlich ein frischerer Wind bei den Offizieren, 
bedingt durch die größere Gefahr. So etwas von der Stim¬ 
mung des Schillerschen Reiterliedes. Seit 28. November 
bin ich hier, eine Minute von den Schützengräben, in einem 
fensterlosen Schnapskeller, genannt Melina, und zwar nach ei¬ 
nem Melina-Likör, der hier im Frieden fabriziert wurde. 
Woher dieser Name kommt, ist mir unbekannt; jedenfalls 
hat er nichts zu tun mit dem Goetheschen Melina, dem Schmie- 
ren-Direktor in „Wilhelm Meister"; denn sowohl auf dem 
Hofe des großen Anwesens als auch auf der höchsten Giebel¬ 
wand des größtenteils zerstörten Hauptgebäudes steht eine stei¬ 
nerne Frau mit einem Kinde auf dem Arm. In besagtem 
Keller nun hat wohl einst sehr viel Likör gelagert, der aber 
längst seinen Weg durch die deutschen Soldatenkehlen ge¬ 
funden hat. 
B ... ist so zerschossen, wie ich noch kein Dorf gesehen 
habe, und ist stiller Zeuge von den erbitterten Kämpfen hier 
Ende September; mußte dreimal von den Deutschen erobert 
werden. Kein Einwohner ist mehr hier, nur gegen Abend 
sieht man bisweilen Katzen, jene heimatliebenden Tiere, durch 
die Trümmer huschen. Wohl die Hälfte der Häuser ist gänz- 
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