Volltext: Arras, Lille u. La Bassee (7,2 / 1916)

lich? Sollten wirklich die Glocken von Cambrai wieder ein¬ 
mal lauten? Ich springe anö Fenster. Da fängt auch das kleine 
Helle Glöckchen auf dem Turm unseres Lazaretts auf Notre 
Dame de Grace an zu läuten. Wie ich hernach erfahren habe, 
hat es die älteste Schwester, fast eine Greisin, eine ganze 
Stunde lang geläutet; sie meinte, sie hätte als Kind so oft ge¬ 
läutet, nun wollte sie auch einmal die Siegesglocke in Cam¬ 
brai ziehen. Das war nun eine wundervolle Stunde! Die¬ 
ses Läuten auf allen Türmen! Besonders schön war das Läu¬ 
ten der Kathedrale. Die ganze erste Kompagnie des Regens¬ 
burger Landsturmbataillons war zum Läuten kommandiert 
worden. Ich zog mich nun rasch an und eilte zum Platze vor 
der Kommandantur. Unterwegs standen alle Franzosen vor 
ihren Türen. Sie waren durch das Läuten in große Auf¬ 
regung gekommen und dachten zuerst an einen Brand. Dann 
aber war ihre Bestürzug und Niedergeschlagenheit eine furcht¬ 
bare. So lange hatten sie ihre Glocken nicht gehört, und nun, 
da sie sie wieder hörten, läuteten sie zu dem Sieg der Feinde. 
Man mußte in der Tat Mitleid haben mit diesen Leuten, die 
mit verweinten Augen und verstörten Gesichtern in stillem Ge¬ 
spräch beieinander auf den Bürgersteigen standen. Von uns 
Deutschen aber drängte alles, was dienstfrei war, zur Kom¬ 
mandantur. Auch die Marktweiber, die aus der Umgegend zum 
grünen Markt auf dem großen Platz ihre Waren anboten, wa¬ 
ren von ihren Ständen zu dem Soldatengewimmel herange¬ 
eilt. Endlich winkte ein langer Hauptmann mit der Hand. 
Er will etwas sagen. Und nun verkündet er mit weithin hör¬ 
barer Stimme, was wir alle schon wußten, den neuen Sieg in 
Polen und fordert auf zum Singen der „Wacht am Rhein"; 
wenn auch die „Wacht im Osten" gefeiert wurde, die „Wacht 
am Rhein" ist nun einmal das Schutz- und Trutzlied der 
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