Volltext: Arras, Lille u. La Bassee (7,2 / 1916)

seit wir unseren rauhen Norden verlassen, und hier prangten 
Täler und Höhen im saftigsten Grün. Alles drängte fich an die 
Türen und Guckklappen unseres Viehwagens, um die Schön¬ 
heiten der Natur mit zu genießen. „£>, Täler weit, o, Hö¬ 
hen." Je mehr der unzähligen großen und kleinen Eisenbahn- 
tunnels wir durchfuhren, um so schöner erschienen die maler¬ 
ischen Landschaften, und immer gewaltiger ragten die bewalde¬ 
ten Berge himmelan. Hätte nicht das monotone Klappern un¬ 
serer im Wagen aufgehängten schußbereiten Gewehre ständig 
an die rauhe Wirklichkeit gemahnt, ich hätte vergessen, daß ich 
mich auf der Fahrt in Feindesland befand. Abgesehen von ei¬ 
nigen wenigen zerschossenen Häusern und Burgen erinnerte ei¬ 
gentlich weiter nichts an den Krieg, wie die deutschen Beamten 
auf den leeren Bahnhöfen und die Wachen und Posten auf den 
Bahndämmen und Brücken. Punkt 6 Uhr abends fuhren wir 
auf einem hochgelegenen Bahndamm, an welchem linksseitig 
eine dem Bahndamm zu offene Straße lag, in Lüttich ein. 
Hier bot sich uns ein sonderbarer Anblick. Die ärmere Be¬ 
völkerung hatte gar keine Angst vor den deutschen Soldaten. 
Eine Unmasse Kinder bettelte zu unö herauf. Beständig er¬ 
tönte aus dem Chor: Penni .. . Penni (Pfennig). Aus allen 
Wagen wurde Geld und eingewickelte Schokolade herunterge¬ 
worfen. Wo etwas hinfiel, balgte sich sofort mindestens ein 
Dutzend Kinder um den Besitz des betreffenden Stückes. Flie¬ 
gende Händler und Händlerinnen boten uns Tabak, Zigarren, 
Zigaretten, Schokolade und Keks zum Kaufe an und wurden 
ihre Ware im Handumdrehen los. Ein Pfiff von der Loko¬ 
motive, und wir rollten weiter zur Verpflegungsstation. Nach¬ 
dem wir dort ein Stück Wurst und Brot gegessen hatten, und 
diejenigen, die das Bedürfnis dazu empfanden, Gesicht und 
Hände etwas gesäubert hatten, fuhren wir nach dreiviertel- 
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