Die digitale Landesbibliothek Oberösterreich

und den Krieg, daß einem an allem Elend nichts mehr liegt 
und man ganz apathisch wird und vor allem sehr egoistisch — 
viel schlimmer, als man es den Amerikanern nachsagt! Als 
Dolmetscher habe ich besonders malerische Erlebnisse. Da 
wird ein Spion gebracht, der auszuhorchen ist, dort eine alte 
Bauersfrau, die in der Stadt Käse verkaufen will und nicht 
verstanden wird. Mit Hilfe des sprachgewandten Kriegsfrei¬ 
willigen (jetzigen Gefreiten!) geht alles ganz famos. Dazu 
elne tägliche Löhnung von 53 deutschen Reichspfennigen, wo¬ 
für ich ein „Geschäftsinteresse" entwickle, das sicherlich nicht 
demjenigen in Zürich für die Firma gleichkommt! 
Heute abend sitze ich in einem prächtigen Schlosse, diniere 
fürstlich (Erbsensuppe, Speck und Kommißbrot) und schlafe wie 
ein junger Gott (auf einem Bündel Stroh und einer alten 
gestickten Tischdecke als Oberbett!). Das Wetter ist einfach er¬ 
bärmlich, furchtbarer Sturm und Regen. Am Himmel blitzen 
unaufhörlich die Schrapnells — man könnte glauben, eö sei 
Seenachtfest in Zürich! 
Unsere armen braven Soldaten liegen da vorne in den 
Schützengräben und müssen ausharren, handelt eö sich doch da¬ 
rum, die Engländer zu werfen! Seit vier Wochen liegen 
sie immer auf gleicher Höhe, aber die nächsten Tage heißt es 
vorwärts, koste es, was es wolle. Alle Vorbereitungen sind 
getroffen. 
Kavallerie im Schützengraben. 
14. November 1914 
Soeben habe ich Deinen Brief erhalten. Ich habe 
zwei Briefe an Dich aufgegeben und hoffe, daß Du sie be¬ 
kommen hast. Hier geht es schon verflucht verhauen zu. Wir 
Kavalleristen müssen jetzt schon Infanteriedienst machen und 
171