Die digitale Landesbibliothek Oberösterreich

daß ich eS für ganz unmöglich hielt, lebendig wieder heraus¬ 
zukommen, aber meine Kugel war noch nicht gegossen. 
Dem Schlachtfeld entgegen. 
Perenchieö (IO Kilometer nördlich Lille), 26. Oktober 1914 
Meine Karte werdet Ihr wohl erhalten haben. 
Nach genau 72ftündiger Fahrt kamen wir in der fast 
vollständig zerschossenen Stadt Lille an. Die Fahrt war - 
besonders durch Belgien — sehr interessant. Wie Ihr schon 
aus meinen Karten ersehen habt, ging die Reise über Eisle¬ 
ben, Paderborn, Düsseldorf, Aachen, Lüttich, Löwen, Brüssel, 
ValeneienneS, Douai nach Lille. Lille ist gewiß eine von den¬ 
jenigen Städten, die durch den jetzigen Krieg am meisten 
zerstört worden find. Von einer großen Anzahl neugieriger 
Bewohner wurden wir dort empfangen. „Vieles Soldat" 
hörte man viele der anscheinend friedlichen Bürger gebrochen 
ausrufen. Ich war erstaunt: Wo man hinschaute, deutsches 
Militär. Züge von Leichtverwundeten zogen durch die zer¬ 
störten Straßen, Artillerie raste in unendlich langen Zügen 
an uns vorüber, das Anfahren der Autos vom Roten Kreuz 
nahm kein Ende. Furchtbarer Kanonendonner verriet, daß 
eine heiße Schlacht im Gange war. Drei Stunden hatten 
wir hier auf dem Bahnhofsvorplätze Rast gemacht. Während 
dieser Zeit hielt ich mich mit einigen Kameraden im Cafe 
„Continental" auf, wo ich einige Glas Bier genoß. Dann 
hieß es: „An die Gewehre!" Nach einem strammen „Gewehr 
über!", bewundert von der inzwischen noch zahlreicher geworde¬ 
nen herumstehenden Einwohnerschaft, ging es im strammen 
Schritt und unter schallendem fröhlichen Gesang durch die 
ganze innere zerschossene Stadt, dem Schlachtfelde entgegen. 
153