Volltext: Heldensage und Namengebung

Heldensage und Namengebung. Von K. Schiffmann. 195 
Obergymnasiums der Benediktiner in Seitenstetten 1902) auf Grund 
eines ausgedehnten Materials (die Diplomatarien und Urkunden- 
bûcher der verschiedenen österreichischen Klöster, die Monum. 
Boica XXVIII.—XXXII., die österreichischen Annalen und Chro¬ 
niken, die Nekrologien und Urbarien der Stifte, die Regesten der 
Babenberger, die Geschichtsquellen der Stadt Wien u. a.) bietet. 
Er schreibt: 'Unter diesen Heldennamen (der Sagen) findet 
sich von der Mitte des 12. bis um die Mitte des nächstfolgenden 
Jahrhunderts keiner häufiger als der des großen Ostgotenkönigs 
Theodorich. In dieser latinisierten Namensform erscheint der große 
Gotenfürst nicht gar häufig in den Dokumenten von Niederöster¬ 
reich1), desto größer aber ist die Zahl derjenigen, welche seinen 
Namen, wie ihn die Sage kennt, Dietrich, in Niederösterreich 
trugen. War doch Dietrich von Bern jener kühne Degen, der fast 
in allen Volksepen erscheint, der weitgebietende Fürst jenes ost¬ 
germanischen Volksstammes, von dessen Aufenthalt im Lande unter 
der Enns die alten, wiedererweckten Sagen zu berichten wußten.. . 
In allen Schichten der damaligen niederösterreichischen Ge¬ 
sellschaft, hohen wie niederen, geistlichen wie weltlichen2), trugen 
viele Knaben den Namen dieses Helden ; besonders häufig war er 
in den ritterlichen Kreisen dieser Zeit/ 
Also die eingehenden Untersuchungen von Frieß ergeben die 
völlige Haltlosigkeit der obigen Ausführungen, die auf Grund der 
Urkunden eine ablehnende Haltung der ritterlichen und geistlichen 
Kreise dem Namen Dietrich gegenüber feststellen wollen. 
Wir müssen uns aber noch mit einem anderen Irrtum in 
diesen Ausführungen befassen. Es heißt nämlich dort weiter: 'Be¬ 
sonders in gemischtsprachigen Gauen, wo die deutsche Rauflust 
im Zeichen Dietrichs die nationale Gegenströmung auf der anderen 
Seite hervorgerufen und so das Verdeutschungswerk gehemmt hätte, 
ließ es sich die Kirche angelegen sein, die Dietrichsage zu unter¬ 
drücken; dies ist ihr z. B. in Kärnten fast vollständig gelungen. 
Indem die Geistlichen nur aus religiösen Gründen, nicht auch aus 
Gründen des vornehmen Geschmackes den Dietrichnamen ablehnten, 
waren sie gern bereit, Dietmar, Dietpold und andere Zusammen¬ 
setzungen in ihre Namenliste aufzunehmen. — Natürlich konnten 
nur die Mönche und die aus ihnen hervorgehenden Priester diesem 
Prinzipe folgen; die Weltpriester, welche als Bauernsöhne den 
!) So finden sich in v. Meillers Regesten der Babenberger von 976 
ab bis 1246 kaum vier Träger des Namens Theodorich, während der 
Name Dietrich unter 1500 Personennamen desselben Werkes — nur Nieder¬ 
österreich angehörige, wobei öfters erwähnte Persönlichkeiten nur einmal 
gezählt wurden — von 1120 bis 1240 bei fünfzigmal erscheint. 
2) Das Salbuch von Göttweig nennt über 20 Träger dieses Namens 
im 12. Jahrhunderte, das Urkundenbuch von St. Pölten im gleichen Zeit¬ 
räume bei 50, der Codex traditionum von Klosterneuburg vom Jahre 1108 
bis 1260 gar bis 100 u. a. 
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