Volltext: Kriegserlebnisse ostpreußischer Pfarrer 2. Band (2. Band / 1915)

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noch eine Stunde — da siel der zweite Schuß. Dieses 
Mal galt er dem Kosaken selbst. Letzterer hatte einen 
Herrn aus der Stadt, der in das Hotel hinein wollte, 
aber die Tür verschlossen fand, auf der Treppe des Hotels 
in eine fürchterliche Enge getrieben. Als er sich weigerte, 
seine wertvolle goldene Uhr usw. herauszugeben, war der 
Kosak in schwankendem Zustande vom Pferde gestiegen 
und machte Miene, sein Gewehr aus denselben anzulegen. 
In demselben Augenblick krachte ein Schuß, der dem 
Leben, wie auch dem weiteren Rauben und Plündern des 
Kosaken für immer ein Ziel setzte. — Schwergetroffen an 
der Erde liegend, sagte er noch zu den Umherstehenden: 
Teraz po mie bedsie: (Jetzt Wird es mit mir Wohl zu 
Ende sein). Im Krankenhause ist er dann auch nach einigen 
Stunden gestorben. — Wie war das nun gekommen? — 
Von wem war der tödliche Schuß abgegeben? Man sprach 
wohl davon, der Kosak hätte sich in seiner Trunkenheit 
aus Versehen selbst erschossen. Auch mutmaßte man, daß 
vielleicht der Herr, den er so bedrängt hatte, in seiner 
Notwehr den Kosaken niedergeknallt hätte. Beides war 
aber nicht der Fall. Wie sich einige Tage später heraus 
stellte, war der Schuß von einem siebzehnjährigen „Stift" 
des Hotels abgegeben, der von dem oberen Stockwerk aus 
das Gebühren des Kosaken mit angesehen und sich ver 
anlaßt gefühlt hatte, dem bedrängten Herrn beizustehen. 
— Es war ja wohl ein gutes Werk, das er damit voll 
brachte — er rettete einem Bürger unserer Stadt das 
Leben und befreite uns alle von einem ganz gefährlichen 
Räuber und Plünderer, der noch viel Unheil hätte an 
stiften können; — aber man übersah auch nicht die Kehr 
seite. Diese kühne, entschlossene Tat, wäre ja doch, wenn 
Kosaken oder andere russische Soldaten in der Nähe ge 
wesen wären und den Schuß gehört hätten, — für die 
Stadt gewiß recht verhängnisvoll wie verderbenbringend 
geworden. — Tatsächlich haben denn auch gerade die 
Mutigsten und Tapfersten unter uns an den folgenden 
Tagen so manche böse, sorgenvolle Stunde gehabt. Hatten 
wir doch eben erst gehört, wie es den Bewohnern der 
lieben Nachbarstadt Lyck gegangen war, wie man von dock 
mehrere angesehene Bürger, den Landrat und Bürger-
	        
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