Volltext: Kriegserlebnisse ostpreußischer Pfarrer 2. Band (2. Band / 1915)

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Bäckerläden alles bezahlten, einem Sattlermeister aber 
gleich auf Anhieb 8 wertvolle Sättel entwendeten mit 
der Begründung, daß das Kriegsrecht sei — sich bei uns 
einquartieren und unsere Gastfreundschaft in Anspruch 
nehmen würden. Gott sei gedankt! Sie taten das nicht. 
So schnell wie sie gekommen waren, verschwanden sie 
auch wieder. Ganz unerwartet und überraschend schnell 
wurde der Befehl zum Aufsitzen gegeben. Schmetternde 
Trompetensignale erklangen; und es dauerte gar nicht 
lange, da war unser russischer Besuch zur Stadt hinaus; 
und wir durften wieder etwas aufatmen. Wie nachher 
erzählt wurde, hatte ein Beobachtungsposten, den die 
Russen auf dem Dach des Postgebäudes aufgestellt hatten, 
in der Nähe der Stadt einen oder mehrere preußische Rad 
fahrer erblickt und daraufhin den Mahnruf „Prussak" er 
schallen lassen. Das hatte die feindlichen Reiter zu schleu 
nigstem Abzüge bewogen. — Der Führer der Truppe, 
ein älterer General, stattete übrigens bei seinen Gängen 
in Marggrabowa auch dem vor der Stadt liegenden Kreis 
krankenhaus einen Besuch ab, fragte die dort darnieder 
liegenden Verwundeten nach ihrem Truppenteil, ob sie 
aktive oder Landwehrtruppen wären usw. Als die leitende 
Schwester ihn darauf aufmerksam machte, das die russi 
schen Gewehrkugeln auch das Krankenhaus getroffen und 
Fenster und Glastüren durchschlagen hätten, wußte er 
keine rechte Antwort und hielt dem entgegen, daß unsere 
Truppen auch von dem in der Nähe befindlichen Waisen 
hause, das die Rote-Kreuz-Fahne gehißt hatte, geschossen 
hätten. 
So war es nun also doch Ereignis geworden, was 
wir bis dahin noch immer nicht recht für möglich ge 
halten hatten. Die Russen hatten uns einen nicht er 
wünschten Besuch abgestattet und ihr baldiges Wieder 
kommen in Aussicht gestellt. — Manch' einem, der bis 
dahin standhaft ausgehalten hatte und in jedem Falle — 
komme es wie es wolle, -- in Marggrabowa bleiben 
wollte, wurde darob doch sehr bange zu Mute. Frauen 
klagten und jammerten: Noch einmal möchten wir so 
etwas nicht mitmachen: das viele Geschieße, der Kanonen 
donner ist nichts für unsere Ohren und Nerven. — Viele
	        
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