Volltext: Kriegserlebnisse ostpreußischer Pfarrer 2. Band (2. Band / 1915)

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Telephonleitung zu zerstören. Namentlich auf der Post 
wurde eine recht gründliche Haussuchung abgehalten. Alle 
die Koffer von unsern Reservisten und Landwehrleuten, 
die da noch in großer Zahl umherstanden, wurden von 
den Russen aufgebrochen, durchsucht und die darin be 
findlichen Kleidungsstücke kreuz und quer durcheinander 
geworfen. Es war ein wüstes Bild, das sich nach wenigen 
Stunden unsern Blicken darbot. 
Bisher war es den Russen noch immer nicht, trotz 
dem der Krieg nun doch schon 14 Tage dauerte, gelungen, 
von einer deutschen Stadt Besitz zu ergreifen. Soldau, 
auf das sie es ganz besonders abgesehen hatten, war von 
unsern Truppen hartnäckig und mit bestem Erfolge ver 
teidigt worden. Daher schienen die Russen nun ganz be 
sonders stolz zu sein, daß sie unser Marggrabowa, das 
kleine, ungeschützte Grenzstädtchen, erobert hatten. — An 
einer Siegestrophäe sollte es ihnen glücklicherweise auch 
nicht fehlen. Auf dem Bodenraum des Postgebäudes 
hatten sie die Fahne entdeckt, die bei festlichen Anlässen 
auf demselben gehißt wurde; diese holten sie herunter, 
brachten sie zu den auf dem Markt aufgestellten Truppen 
und nahmen sie wie eine im Kampf erbeutete Fahne mit 
begeistertem Hurra und dreimaligem Hoch auf den Zaren 
in Besitz. 
Man kann sich wohl vorstellen, daß uns bei dem 
Anblick dieses Schauspiels, das sich da unten auf dem 
weiten Marktplatz vor unsern Augen abspielte, nicht ge 
rade sehr erhebend zu Mute war. — Es war gewiß nicht 
Angst, was uns in jenem Augenblick erfüllte. Dazu war 
ja kein besonderer Anlaß vorhanden, aber doch ein tiefes 
Weh, eine große Bangigkeit um das Schicksal des geliebten 
Vaterlandes. Die Russen waren nun also doch bei uns 
eingebrochen — und wer mochte es voraussagen, wie die 
Dinge sich weiter entwickeln würden?! — Sollte dies 
der Anfang eines großen Trauerspiels für unser Vater 
land und insbesondere für unsere liebe Heimatprovinz 
Ostpreußen werden?! 
Wir hatten uns schon darauf gefaßt gemacht, daß die 
russischen Reiter — die im übrigen in den Fleischer- und
	        
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