Volltext: Kriegserlebnisse ostpreußischer Pfarrer 2. Band (2. Band / 1915)

67 
auf sich warten. Am anderen Tage bereits, am 1. August, 
schlug die inhaltsschwere Stunde: Se. Majestät der Kaiser 
hatte die Mobilmachung befohlen. Um 7 Uhr abends 
wurden bei uns die Glocken geläutet und damit den Be 
wohnern von Stadt und Land das Zeichen gegeben, daß 
der oberste Kriegsherr sein Volk zu den Waffen rufe 
und schon nach einer Stunde sah man viele — Reserve 
offiziere und Reservisten, erstere bereits in der neuen 
Uniform — nach dem Bahnhof zueilen, um noch mit 
dem nächsten Zuge weiter nach Goldap und nach Inster 
burg zu fahren. — Es war eine ernste, weihevolle Ab 
schiedsstunde. Die Segenswünsche der Zurückbleibenden 
geleiteten die Scheidenden. Als der Zug sich in Be 
wegung setzte, erklang es aus bewegten und begeisterten 
Herzen: Deutschland, Deutschland über alles in der Welt. 
Wie würde es uns nun hier an der Grenze ergehen?! 
Würde es unserer Heeresleitung auch in diesem schweren, 
furchtbaren Ringen möglich sein, das Wort einzulösen, 
daß auch nicht ein Stück deutscher Erde den Feinden 
überlassen werden solle, oder würde es den Russen am 
Ende doch gelingen, mit ihren Kavalleriemassen unsere 
tzeimatprovinz zu überschwemmen?! — Schon mehrten 
sich die Gerüchte, daß die Kosaken an verschiedenen Stellen 
die Grenze überschritten hätten und sengend und brennend 
durchs Land zögen, schon kamen Grenzbauern und Land 
bewohner in großen Scharen nach der Stadt geflüchtet 
und noch war zur Sicherung unseres Grenzbezirkes seitens 
der Militärbehörde wenig oder nichts geschehen.— Da aber 
am 5. August — rückten doch wenigstens 200 Radfahrer 
in unser Städtchen ein und fuhren in langer Reihe — 
mner hinter dem andern — sofort weiter der Grenze zu. 
— Gleich wurde uns etwas leichter ums Herz. — War 
Es auch nur eine kleine Schar, die da zu unserm Schutze 
ausgesandt war, so viel wußten wir doch, ihren Mann 
würden diese 200 Radfahrer schon stehen. Tatsächlich 
haben sie den Kosaken einen höllischen Schreck eingejagt 
und manchem von ihnen den Garaus gemacht. Die 
,,Teufel" so nannten sie die Kosaken und haßten sie wie 
die Sünde. 
Große Aufregung gab es in unserm Städtchen in
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.