Volltext: Kriegserlebnisse ostpreußischer Pfarrer 2. Band (2. Band / 1915)

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1 Kilometer weiter zum nächsten Dorf; in einer Stunde 
etwa waren wir da; Fuhrwerk wollte und konnte 
auch keiner bei der Unsicherheit geben; aber da uns zu 
gleich herzliche Gastfreundschaft vom Besitzer K. ange 
boten wurde, so blieben wir denn getrost dort. Wunder 
barer Weise hatte dies Dörfchen nicht unter Russenbe 
suchen zu leiden gehabt, weil es nicht an der Marschstraße 
der Russen lag. Man brauchte aber bloß auf einen Berg 
zu steigen, so sah man die Chaussee von russischen Fuhr 
werken belebt. Besonders lebhaft ging es auf derselben 
am Freitag, den 28. zu, wo die überstürzte Hast der 
russischen Flucht manchen Wirrwarr schuf, so daß viele 
gestohlene Stücke dort liegen blieben. Kanonendonner 
war deutlich zu hören und Feuerschein blitzte auf ver 
schiedenen Seiten auf. In dieser Ungewißheit trauten wir 
unseren Augen kaum, als die ersten deutschen Ulanen 
durchs Dorf ritten; die Freude kannte keine Grenzen, 
jeder hätte ihnen zu gerne etwas Liebes erwiesen; schnell 
wurden hier und dort die Obstbäume geschüttelt, um doch 
irgend eine Erquickung schenken 31t können. An diesem 
Tage war's dann, daß mich mein Gastgeber bat, in der 
Schule eine Andacht zu halten, es würden viele gerne 
kommen. Und sie kamen denn auch gegen Abend, meist 
Frauen, wie ja nicht anders möglich, und wir konnten 
einen kleinen Dankgottesdienst abhalten. Gegen Schluß 
desselbeu zogen Truppen am Fenster der Schule vor 
bei; es mußten ja deutsche sein, aber man hätte sie doch 
gar zu gerne gesehen und begrüßt, die Retter nach mehreren 
Angsttagen. Das war ein Dankgottesdienst nach der 
Schlacht bei Tannenberg, ohne deren Erfolg und völlige 
Bedeutung zu kennen. Diesen Abend sollten wir nicht so 
früh wie sonst zur Ruhe kommen. Bis in die Nacht hinein 
marschierten deutsche Truppen durch den Ort nach Nei- 
denburg zu; gegen 1 Uhr kam erst die Artillerie an, die 
hier Quartier beziehen sollte und nun erst abkochen mußte. 
Zwei Leutnants waren froh, daß sie zusammen ein Bett 
bekamen. Hungrig und müde waren sie allesamt. Da 
unser Schlafzimmer den Herren Offizieren zum Speise 
zimmer diente, so hatten wir nirgends zu bleiben, und 
mußten die für beide Teile sonst wenig angenehme Rolle
	        
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