Volltext: Kriegserlebnisse ostpreußischer Pfarrer 2. Band (2. Band / 1915)

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und nun fort! Die Freundlichkeit der Gutsbeamten gab 
mir einen bequemen Platz auf einem guten Wagen, und 
so floh ich denn wieder mit einem kleinen Wäschekoffer 
ausgerüstet. Unterwegs kurze Rast in einem Dorfe, wo 
gerade zwei von den Russen erschlagene Männer be 
erdigt werden sollen. Aber wie? Eine Bettstatt wurde 
in die Gruft gelassen, dann 2 mit Heu gestopfte Kissen 
hineingelegt und dann wurden die beiden Erschlagenen 
herbeigebracht, die Gesichter verbunden; es ergriff 
mich sehr, ich konnte nur ganz wenige Worte sprechen. 
Der eine von den beiden war mein treuester Kirch 
gänger, den kein Wetter von dem sonntäglichen 
Gange fernhielt, der nicht bloß hier ein Hörer, son 
dern auch ein Täter des Wortes sein wollte. Und 
dem hielt ich die Grabrede und konnte doch nichts sagen, 
mußte nur eilends fort. In Neidenburg angekommen, 
wurde ich ins Krankenhaus gewiesen; denn ich war typhus- 
verdächtig; der Verdacht hatte die Tatsache getroffen; da 
für mußten die, die mir Gutes getan und mich mitgenom 
men hatten, büßen; sie wurden aus Neidenburg ausge 
wiesen, aber die Schlacht blieb auch aus. So war ich 
denn nun sicher in Neidenburg, es war, so glaubte ich 
und viele andere auch, eine Unmöglichkeit, daß die Russen 
hierher kämen; und noch am Freitag, den 21. August be 
stätigte mir Herr Superintendent T. die völlige Sicher 
heit angesichts der vielen Verteidigungstruppen, von denen 
aber, wie's niemand ahnte, kein Soldat istehr da war, 
sie waren in aller Stille abgezogen. Es war der zweite 
fieberfreie Tag, den ich hatte, denn Gottes Güte hat 
mich vor einem langen und schweren Krankenlager be 
wahrt. Es ist ein Wunder, wie leicht diese tückische Krank 
heit von mir überwunden wurde. Da kam nun der Sonn 
abend, und bald war die Kunde verbreitet: die Russen 
sind da und, was keiner recht glauben wollte: — denn 
man hatte doch genug von unseren Truppen gesehen — 
ein kleiner Trupp Kosaken ritt in die Stadt und hat 
dann wohl auch in manch ein Fenster geschossen. Sie 
verschwanden bald wieder und nun begannen Kanonen 
zu dröhnen, alles russische, die auf die wehrlose Stadt 
Neidenburg schossen. Wir im Isolierhaus des Kranken-
	        
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