Volltext: Kriegserlebnisse ostpreußischer Pfarrer 2. Band (2. Band / 1915)

untergebracht und was die tun, weiß man nicht." Dann 
bat er, wenn auch als Feind doch als Dürstender, um 
einen Schluck Bier, ich konnte ihm bloß mit Saftwasser 
dienen, was ihm aber auch gut schmeckte. Zum Abschied 
gab er mir noch einen guten Rat: ich sollte im Dorfe 
bekannt geben: wenn heute irgendwo ein Brand entstünde, 
so seien nicht die Russen daran schuld, sondern die Dorf 
bewohner hätten damit ein Signal den deutschen Trup 
pen gegeben. Und dann würden die Russen 10—12 
männliche Einwohner wahllos aufgreifen und erschießen. 
Die Aussicht war ja nicht angenehm, und so ging ich's 
denn bekannt geben, obwohl ich überall Kopfschütteln be 
gegnete und die Empfindung hatte, meine Gemeindeglie 
der glaubten: die Angst spiele dem Kopfe ihres Pfarrers 
übel mit. Bei diesem Gang treffe ich meinen Glöckner, 
der ein tiefbetrübtes Gesicht zeigt, denn ein Russe hatte 
einen Tausch mit ihm gemacht, und er betrachtete jetzt 
mit sehr gemischten Gefühlen eine Russenuhr, die nicht 
ging, die er für seine ziemlich neue Uhr eingetauscht 
hatte. Nun, ich ließ mir gleich den Tauschhändler zeigen 
und stellte ihn zur Rede, aber er hatte als Antwort: 
„Der Herr hat's ja so gewollt," und da mein Glöckner 
jetzt nicht einen gegenteiligen Willen zu bekunden wagte, 
mußte ich mich auch zufrieden geben. Es war den russi 
schen Soldaten bekannt, daß ich der evangelische Pfarrer 
bin, ich bin deshalb nicht belästigt worden, der eine rief 
mir polnisch zu: „Noch ist Polen nicht verloren! Nicht 
wahr?" Ich fand keine Antwort auf diese Frage. 
Nun mußte ich mich beeilen, mein Haus für meine 
Gäste etwas in Ordnung zu bringen, da es nach der 
Flucht noch nicht aufgeräumt war. Ich rief mir dazu eine 
Frau, mit deren Hilfe ich's fertig machte. Nun wartete 
ich auf meine Einquartierung, die nicht kommen wollte. 
Andere wies ich ab, weil der Stab hierher käme. Es 
wurde dunkel, und kein Stab kam. 
Ein Wunsch bewegte mich sehr stark: wenn es doch 
nur nicht brennen möchte; aber es brannte doch. Ein 
heller Feuerschein am Himmel; ich konnte mir nur nicht 
vorstellen, wo das war. Auf die Straße gehen und 
fragen, das wagte ich denn doch nicht. Es kam nun auch 
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