Volltext: Kriegserlebnisse ostpreußischer Pfarrer 2. Band (2. Band / 1915)

ihnen eine Ansprache. Die Schlittenführer hatten inzwischen 
den Befehl erhalten, umzukehren und die Richtung 
nach Collaten einzuschlagen. Sechs folgten diesem Befehl 
und die Schlitten, mit Soldaten besetzt, unter denen sich 
auch einige meiner Litauer befanden, fuhren ab. Unser 
Fuhrmann, der den vordersten Schlitten führte, hatte 
noch nicht gewendet. Wir vier Gefangenen hatten den 
Schlitten verlassen, standen an einem Baume und warte 
ten ab. Da sagte einer der Mitgefangenen zu mir, dem 
es gleichgültig war, ob er nach Memel gebracht würde 
oder sonst wohin: „Herr Pfarrer, nun können Sie gehen, 
es paßt keiner auf." Sofort schlug ich die Richtung nach 
der Dange ein, gefolgt von meinem 15 jährigen Knechte, 
der ebenfalls gefangen war. Wir suchten Deckung hinter 
einem 10 Meter langen Weidengebüsch, von dort aus 
hinter einem einzeln stehenden wilden Birnbaum, dessen 
Stamm beinahe bis an die Wurzeln mit Zweigen 
bedeckt war. Dort legten wir uns nieder, um zu sehen, 
ob man uns verfolge. Es waren nämlich bei der Kompa 
gnie noch 3 bis Ä Briten. Als dies nicht der Fall war, 
da es stark dunkelte, machte ich einen Sprung über einen 
Abhang und war frei. Die Nacht irrten wir umher an 
der Dange, trafen noch einen russischen Infanteristen, 
später einen Kavalleristen, die mich nach dem Wege frag 
ten, bis ich in der Waschküche des Gutes Kl. Taier- 
lauken um 1 Uhr nachts Zuflucht fand und mich mit 
Michel in Sicherheit befand. Meiner Gemeinde war es 
zum größten Teile besser ergangen. Nur die anfangs er 
wähnte Ortschaft Girngallen-Matz wie auch Bruscheilinen 
hatten durch Feuerschaden beträchtlich gelitten. Die meisten 
Einwohner waren geflüchtet. Ebenso die Bewohner der 
benachbarten Dörfer, zum größten Teile nach Memel. 
Aber am Sonntage wurden im nördlichen Teile des Kirch 
spiels mehrere Besitzer mit ihren Söhnen, die zurückge 
blieben waren, gefangen und nach Rußland geschleppt. 
Dasselbe Schicksal erlitten einige weibliche Personen dieser 
Ortschaften am Montag, als die Russen bereits auf der 
Flucht waren. Zwei Drittel der Gemeinde ist verschont 
geblieben, und wir konnten am Sonnabend vor Palmarum 
Beichte halten, an der 135 Personen beiderlei Geschlechts
	        
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