Volltext: Katholische Dichtung

5 
hatte ihm fogleich einen von ihr felbft gebrauten Likör angeboten. Der 
fchmeckte ganz chriftlich. Und die Regentin hatte fogar verfprochen, die 
Kinder zehn Minuten vor dem gefetzlichen Schulfchluß zu entlaflen, damit 
fie rechtzeitig zum Religionsunterricht kämen. Etwas ganz einzig Daftehendes; 
denn in Frankreich ift auf den Religionsunterricht keine Rückficht zu nehmen, 
da die Schule ihn nicht kennt. 
Revanchiert hat lieh unfer Pfarrer königlich, damals als die arme Bäuerin auf 
der Alm ihr fechftes Kindlein nicht taufen lallen konnte. Die Regentin hatte 
zwar die Patenftelle übernommen, aber weit und breit war kein Paftor auf 
zutreiben. Damals, ja, hat er lieh revanchiert, unfer Pfarrer. Mit feinem 
Leiterwagen holte er aus dem weitentlegenen Städtchen Mouthier den prote- 
ftantifchen Paftor. Der foll ein komifches. Gefleht gemacht haben, der fpindel- 
dürre Paftor neben dem breitfchulterigen Pfarrer. Sie haben miteinander 
Wein getrunken im Pfarrhaus und unfer Pfarrer opferte in die armfelige 
Bauernftube auf der Alm feine fchönften Rofen, fein letztes Quart Wein und 
feine letzte Speckfeite. Wenn Sie, meine Herrfchaften, bedenken, daß unfer 
Pfarrer feine Rofen höchftens für den Hauptaltar hergab, fo mögen Sie daran 
die Seelengröße diefes kleinften aller Heiligen ermeffen, wenn er überhaupt 
als folcher je anerkannt wird! 
Damals bei der Taufe foll die Bäuerin ,Rotz und Waller geweint haben vor 
Rührung 4 (diefen Ausdruck, deffentwegen ich um ihre Nachficht bitte, habe 
ich vom Pfarrer); lie wollte gar nichts annehmen/weil lie Proteftantin war. 
,Es muß auch folche Käutze geben 4 , hatte lächelnd der Rofenfpender gefagt. 
Eine fröhliche Stimmung herrfchte bei der Jaufe. Die Gefchichte weiß von 
einem Riefenflammenpudding, einer Spende der Regentin, zu erzählen, der 
nicht und nicht brennen wollte, bis man darauf kam, daß die gute Regentin 
die Rumflafche mit der Effigflafche verwechfelt hatte. Der Paftor und der 
Pfarrer haben fich zugefchmunzelt und fleißig gegeffen. Darauf haben fie ohne 
Grund immerfort gelacht und Reden gehalten und was dazwifchen getrunken 
war, erzählt die Gefchichte nicht. Aber man hat nachher den fpindeldürren 
Paftor mit aufgeknöpfeltem Rock und unferen Pfarrer Arm in Arm unter 
einem großen Schirm den Berghang hinuntergehen gefehen und die Regentin 
mutter will gar ein Lied vernommen haben, das zur Gelegenheit gar nicht 
P a ^ te * ,Manon, lieh, es fcheint die Sonne! 4 
Ich bitte Sie, bei ftrömendem Regen! — 
Seit diefem Tage beftand zwifchen Schule und Pfarrhaus eine Engelsehe. Die 
Regentin lief fich mit dem Seelforger die Füße wund, um Kranke und Be 
dürftige zu befuchen und zu pflegen, denn die beiden mußten für diefes in eine 
Art Einöde verfchlagene Stück Volk als Arzt, als Richter, als Techniker fun 
gieren, kurz, lie waren feine Diener.“ 
Entnommen aus: „Der Pfarrer von Lamotte <c . Ein Roman von Helene Halujchka. Mit bild 
lichen Randglofjen von Rudolf Wirth. 8°. 222 Seiten. In Leinen M. 6.50 
„Diefes Buch ift erfüllt von einer köftlichen Frifche volkstümlicher 
Kraft, bodenftändigen Fabuliertums, verklärt von einem erdnahen Hu? 
mor, daß man fchon nach wenigen Seiten diefe Menfchen klar vor 
Augen fehen und lieben lernt. Inmitten all der zerfaferten Problematik 
der gegenwärtigen Literatur wirkt diefes Buch wie ein Trunk quelL? 
frifchen Bergwaffers, belebend und gefundend zugleich. u 
Dr. Heinrich Getzeny
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.