Volltext: Katholische Dichtung

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„Wir müffen im Dorf nochmal fammein“, fchlägt das Bärbchen vor und 
wifcht ein paar Tränchen. 
„Sie gäben gern, wenn fie noch was hätten“, entgegnet forgenvoll der Haupt 
lehrer, „viel ifl jedoch nicht mehr da. Wenn man lieh nur mal mit ihm 
ausfprechen könnte; aber er geht ja in weitem Bogen um mich herum.“ 
„Mit der Friederike fpricht er fchon lange kein einziges Wort“, ftöhnt Frau 
Bärbchen, „fie hat’s mir geftern weinend geklagt.“ 
„Auch das Jerritje kommt nicht an ihn heran; er hat die Stunden abgefagt“, 
berichtet der Huppenbroich. 
„Wenn er nur nicht ernftlich krank wird!“ fchluchzt in höchfter Not das 
herzensgute Bärbchen. 
„Ja“, erzählt der Lehrer, früher kam da auch wohl fchon mal eine üble 
Laune, die ein paar Tage anhielt. Wir kannten’s lachten und dachten: das geht 
vorüber. Dann kam er auf einmal, felber prächtig geftimmt, daher und lachte, 
daß es fchallte: War in der Maufer! Aber jetzt! Nein, das ift ganz was anderes!“ 
„Zu fehr geht das mit dem Bau ihm zu Herzen“, jammert die Frau. 
„Wenn man ihm doch helfen könnte!“ zweifelt der Gatte. 
Aber Herr Johannes fchweigt weiter. 
Wie ein Trappiflenklofter, eine Totengruft ift das Paftorat. 
Stumm fetzt fleh Herr Johannes zu Tifch, ftumm fleht er auf. 
Stumm fitzt er in feiner Stube. Wie ein anderer betet er fein Brevier. Stumm 
geht er zu Bett. 
Friederike fitzt in der Küche mit rotverweinten Augen. Manchmal fchrickt fie 
zufammen. Rief da oben nicht feine Stimme? Sie fährt auf in der Nacht, flürzt 
aus dem Bett, horcht: Das war er! Ach, nur das Heulen des Windes! 
Sie trägt das Schweigen nicht mehr lange. Dann bricht fie zufammen. 
Verzweifelt finnt fie vor fich hin: Wie wär’s, wenn fie ihr Spargeld hingäbe? 
Es find zehntaufend Mark. Der Notgrofchen für ihre alten Tage, oder wenn 
er einmal nicht mehr fein füllte und man vor der Tür ftände. Bis jetzt hat fie 
fich gefträubt. Es muß fein! 
So fchiebt fie ihm eines Tages ihr Sparbuch unter die Serviette. Das ifl öl 
ins Feuer: „Weib, ich foll dich beftehlen!“ Ohne gegeffen zu haben geht er 
ftill hinauf. Friederikes edle Tat hat ihm den Weg gewiefen. 
Er felber hat ja kein bares Vermögen mehr, feine Studenten, feine Kirche 
haben’s auf gezehrt; es tut ihm nicht leid. Aber da ifl doch noch der Wald, 
der mehrere hundert Morgen große Wald! Ob der Vater, der Achtzigjährige, 
ihm feinen Anteil zum Verkauf überlaflen will? Das uralte Erbe der Familie 
drunten im Selfkant, dem Vater ein unantaftbarer Befitz! Ob die Brüder, die 
doch an Acker und Feld genug haben, ihre Einwilligung zur Teilung geben? 
Ja, wenn Mutter noch lebte! Doch es muß gefagt werden! Für feine Kirche, 
für den Frieden! 
Die Friderike fällt fall vom Kirchenftuhl. Hat fie recht gehört! Da dröhnt 
der Donner des „Herrn“, die, ach, fo lang entbehrte Stimme, wieder durch 
das Paftorat: „Fritz, alles parat machen, morgen, gleich nach der Meffe, ver- 
reife ich nach Feucht!“ 
Entnommen aus: Ludwig Mathar „Herr Johannes <c . Der Roman eines Prießers. 44-/ Seiten 
In Leinen M. 2.85 
„Überragend im Mittelpunkt diefes Buches fteht das Mufter eines katho- 
lifchen Pfarrers. Das Buch hat etwas Mitreißendes und fehr Effektvolles 
und überdies ift es in beifpielhafter Weife katholifch und deutfeh, denn 
es wird in diefem Roman auch unter leidenfchaftlicher Anteilnahme des 
Verfaffers die Abftimmungskomödie in Eupen und Malmedy gefchildert.“ 
Franz Herwig
	        
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