Volltext: Katholische Dichtung

fchüttelnd an. Dann aber fingen fie an, um fo wilder zu fchreien. Einer nach 
dem anderen befahl den Buben zu fich heran, wies ihm Dolch oder Degen oder 
Donnerbüchfe und erzählte ihm mit graufigem Lachen, was alles er damit fchon 
vollbracht habe. Nur einer war faft ohne Waffen und zeigte ihm feine großen, 
narbigen Hände, deren eine Wunden trug wie von einem entfetzlichen Biß, 
und fagte dem Schaudernden, er habe ein befonderes Gefallen daran, das 
Menfchenvolk, das ihm in den Weg laufe, zu erwürgen. „So!“ machte er 
und legte dabei feine kalten, feuchten Hände um den Hals des Knaben, ließ 
ihn auch nicht gleich frei, fondern drückte langfam zu. Da der Knabe einen 
Schrei ausftieß, trat auf fein häßliches Gefleht der Ausdruck einer abfeheu- 
lichen Luft, und er ließ erft ab, als ein anderer ihm den Hellebardenfchaft 
in die Rippen fließ. Unter diefen graufamen Unterhaltungen kamen fie 
zum Kirchlein, aus dem, von der reinen Stimme des Expofltus gefungen, 
Pfalmen klangen. Die Schweden riflen die Türe auf und fchrien dem greifen 
Priefter, der, am Altäre flehend, fleh langfam umwandte, teuflifche Grüße 
zu. Er folle ihnen fogleich alle feine Schätze überliefern, Meßkelche und 
Monftranzen, Leuchter und Heiligengebeine,'alles, alles, fo brüllten fie alle 
zufammen. Dann aber gebot einer, der ihr Anführer zu fein fchien, Schweigen, 
trat vor und ging dem Priefter ein paar Schritte entgegen. In feinem Gefleht 
waren alle Leidenfchaften zu lefen, Stolz und Graufamkeit und Wolluft, 
und doch hatte es einen letzten und erfchütternden Reft einer hohen Schönheit 
bewahrt. Im Ton einer unfäglichen Verachtung fprach er: „Alter Mann, gib 
uns die Schlüffel, dann laffen wir dich laufen! Die da können mit heiligen 
Sachen gar fromm und ehrfürchtig umgehen“, und indem er das Gefleht, zu 
einer höhnifchen Fratze verzog, fuhr er fort, zu den Soldaten gewandt: 
„Zeigt Seiner Hochwürden Euer Corpus Domini!“ Da zog die Horde unter 
dem Wams die fllberne Kapfel hervor, machte fpöttifche und ungelenke Ver 
neigungen und Kniebeugungen davor, um fie dann zu öffnen und dem Greis 
die weiße Hoftie fehen zu laffen. Da lief über fein Gefleht ein jähes Er- 
fchrecken, und Tränen flanden in feinen Augen. Dann aber trat er in unge 
heurem Ernft einen Schritt vor, fah dem Hauptmann ftreng in die Augen 
voll Sünde und fprach dann mit flüfternder und doch überall vernehmbarer 
Stimme: „Schlechter Mönch! Schlechter Mönch!“ Da fchrie jener wie ein 
Tier, das verwundet ift, fchrie, fchrie; dann riß er fein Piftol aus dem Gürtel 
und fchoß den Priefter, der fchweigend den Tod erwartete, nieder. Darauf 
wandte er fleh ab und gab ein Zeichen, daß man bei dem Toten die Schlüffel 
fuche. Wohl ein Dutzend Soldaten ftürzten fleh auf ihn, warfen ihn hin und 
her wie ein Kleiderbündel, aber fie fanden nichts. 
So ftürmte man denn zum Portal, nur der Hauptmann griff zum zweiten 
Piftol, das er im Gürtel trug, und feuerte es mit einer Gottesläfterung auf 
das Tabernakel ab. Dann folgte er den anderen. 
Da fie nun dem Häuslein des Expofltus entgegenliefen, da tat fich auf einmal 
der fchon dämmerige Wald auf; geräufchlos fprangen ihnen große, dunkle 
Hunde an die Kehle, und es währte wenige Minuten, da lagen die Hundert, 
aus entfetzlichen Wunden blutend, tot an der Erde. 
Entnommen aus: Johannes Kirchweng „Überfall der Jahrhunderte“. Novelle. 151 Seiten. 
Preis Leinen M. 5.50 
„Das Künftlerifchs Bezwing ende diefer ungewöhnlichen Novelle liegt in 
einer leis^gedüfterten, melancholifchen Stimmungsmacht, die fich vor 
allem in der Schilderung dunkler, in der Überlieferung fich zu unheim= 
licher Phantaftik fteigernden gefchichtlichen Ereignis, wie zu einem 
lebendigen Spuk zufammenballt.“ Rh ein-Mainische Volkszeitung 
2 * 11
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.