Volltext: Das Martyrologium

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seine Kreuze und Standbilder, besonders an den Wegen aufgerichtet, 
und so iu aller Form des Rechtes vom Lande Besitz genommen hatte, 
von einem frommen, weltmüden Erdpilger erbaut und mit den Re¬ 
liquien eines Märtyrers beschenkt worden war; welch' reiche Fund- 
grübe für die Culturgeschichte! 
Wohl aber weiset diese auch den umgekehrten Weg und Gang 
der Ansiedlnngen nach; er ist derselbe, indem eine Niederlassung auf 
gutem Boden, oder ans besonderer günstiger Veranlassung erst später 
das Bedürfnis fühlte, sich durch Erbauung einer Kirche, und durch 
die Wahl eines ihren Anschauungen und Bedürfnissen entsprechenden 
Patrouates') einen gemeindlichen, religiösen und sittlichen Rück- 
halt zu sichern. 
Fürwahr ist die Wahl eines Schutzheiligen, dessen fürbittende 
Verwendung vor dem Throne des allmächtigen Gottes in besonderen 
und allgemeinen Bedrängnissen angerufen wird, nur eine Ver- 
ehruug desselben, wie man solche heute uoch geschichtlichen Größen 
und Utilitätsmännern erweiset, keinesfalls aber Götzendienst, keine 
Anbetung der Heiligen, wie dieses von Protestanten und Nu- 
gläubigen, von modernen Philistern, von petnlanten, lediglich nnr 
auf ihren Geldsack vertrauenden Bourgeois, welche darum eiues Schutz- 
heiligen uicht zu bedürfen vermeinen, immer und immer wieder deu 
gläubigen Katholiken zum Vorwurfe gemacht wird. Und die alljährlich 
im Kalender erneuerte Gedächtnisfeier der Heiligen, wie auch die 
Kirchweihe ist für deu einzelneu Christen, wie für die betreffenden 
Gemeinden immerhin ein freudiger Festtag. 
Deshalb ist die Einweihung einer Kirche oder eines Altares 
ein sehr wichtiger religiöser und örtlicher Act, eiu Ereigms, das, 
möchte man sagen, gleich einem Vertrauensvotum an eine würdige 
und ausgezeichnete Persönlichkeit gerichtet, so manche örtliche Be- 
dürsnisse, Wünsche und Motive, aber auch die Zeichen der Zeit an- 
deutet.-) 
Jedenfalls gehen der sinnige Christ und auch der ernste Ge- 
schichtsforscher an keiner Kirche, an keiner Kapelle vorüber, ohne sich 
um deren Patronat zu erkundigen; die Pietät leitet sie, und zugleich 
erfahren sie hiemit das approximative Alter des Ortes und des 
Gotteshauses. Ueberdies: wenn uns allenthalben die Kirchen und 
Altäre iu Sprachen, die längst verklungen sind, hochgefeierte Namen 
') Selbstverständlich ist hier nur von dein in der katholischen Kirche üblichen 
Patronat, vulgo Kirchweihe, patroeinium — von dem per consecrationem 
et dedieationem ecclesiarum et altarium ritu servato —- die Rede, nicht aber 
von dem in jure canonico behandelten jure patronatus über die Kirchen und 
Pfründen. — -) Die ersten nnd älteren Bischöfe haben sich regelmäßig hiernach 
gerichtet, während die neueren öfter einer singulären, einer modernen Ansicht in 
der Wahl der Patrone folgen.
	        
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