Volltext: Reform des Leseunterrichtes

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Im Anschlüsse an Vorstehendes kommen wir nun auf die schrift 
lichen Vorübungen. Schon früher erwähnte ich, daß die von mir an 
gewendeten diesbezüglichen Übungen ganz abweichend sind von denen 
der bisherigen Vertreter der Normalwörtermethode. Während Dr. Jütting, 
unstreitig der zuverlässigste Autor in der Normalwörtermethodenfrage, 
diese Vorübungen im allgemeinen teilt in: 1. Auf- und Abstriche, 2. Bogen, 
Schlingen, Schleifen, 3. andere Grundformen —- kultiviert Ähnliches in 
seiner „Anleitung“ auch der Übungsschullehrer Vogl. — Doch all diese 
Vorübungen tragen ein planloses Äußere an sich, sie haben keinen 
Selbstzweck und darum können sie auch nicht die zweckentsprechenden 
sein. Ich für meine Person will aber schon diese 6wöchentliche Vor 
bereitungszeit für ganz bestimmte Zwecke ausbeuten und das, was sie 
hier üben, soll auch eine wirkliche Vorübung für die zu schreibenden 
Buchstaben werden — es sollen nämlich die Buchstabenformen als solche 
schon in Übung kommen und was das Kopflautieren für das Lesen ist 
— schon ein wirkliches Lesen nämlich, wenn auch ohne sichtbare 
Zeichen (Buchstaben), das sollen ebenso diese Vorübungen fürs Schreiben 
sein, also auch schon ein wirkliches Schreiben und nicht ein planloses 
Haken-, Schlingen- und Schleifenmachen! 
Bemerkt wird noch, daß diesen Schreibvorübungen stets auch ein 
Zeichnen von Seite der Kinder nebenher geht oder bestimmter gesagt, 
mit dem Zeichnen überhaupt begonnen wird (selbstverständlich, wenn die 
ersten Übungen des Fingergebrauchens, des Griffelhaltens, der Haltung 
des Körpers, der Arme und der Hände beim Schreiben, des Orientierens 
auf der Tafel etc. etc. geschehen sind) — ja, daß das Zeichnendürfen 
immer als eine Erholung dem Üben der Schriftformen nachfolgt. Und 
gerade aus diesen Zeichnungen wird so mancher Grundstrich für die 
Schreibübungen entlehnt. Sowie ein Kind im vorschulpflichtigen Alter im 
Sande, bei einem Sandhaufen sein Lieblingsplätzchen sucht und findet, 
wo es mit und in demselben Formen und Bilden übt, gerade so ist dem 
Schulanfänger der Lieblingstummelplatz die Schiefertafel. Hier malt — 
und zeichnet er nach Herzenslust und vielfach hat der Lehrer Gelegen 
heit zu staunen, wie weit sich der Formensinn schon bei diesen Kleinen 
entwickelt hat. Und diesen Umstand benütze der Lehrer wohl, diese 
Naturvorschulung beute er sorgfältig aus: Kreuze, Bänke, Tische, Sessel, 
Türen, Häuser, Leiter, Besen, Gabel, Lineal, Bing, Ei u. s. w. u. s. w., 
also leichte Lebensformen lasse er neben den Schreibvorübungen zeichnen 
und wenn ihnen das Formen von (unbewußten) Buchstabenzeichen etwas 
ermüdender erscheinen mag, gleicht ihnen diese „Dazwischenmalerei“ 
(wie sich die Kinder auszudrücken pflegen) die kleine Anstrengung wieder 
vollends aus. — Vor allen aber merke man, daß diese vorbereitenden 
Übungen niemals ermüden dürfen; was sie mit Lust und Freude machen, 
das geschehe — wenn es aber anfangt, nicht mehr lustig zu sein — dann 
Schluß. Überhaupt gilt für diese ersten 5 bis 6 Wochen Vorbereitungszeit 3 ) 
die Regel: Keine Übung währe zu lauge und die halbe Zeit der sonst 9 
9 In diese Vorbereitungszeit fallen aber nicht etwa die Vorübungen für das 
Lesen und Schreiben allein, sondern ebenso Vorbereitungen für das Rechnen (Bilden 
von Zifferformen, Bedeutung und Lesen der 4 Rechenzeichen: +, —, X) ~ für 
das Singen (Tonübungen) — für das Turnen und Schreiben, Taktübungen —- 
Schreiben der Schreibvorübungen auch in der Luft im Takte, um das Taktgefühl für 
das so wichtige Taktschreiben schon jetzt zu wecken u. s. f. u. s. w. 
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