Volltext: Reform des Leseunterrichtes

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die Kinder stets mit großer Freude erfüllt namentlich, wenn ein 
neues Wort erscheint, das sie schon aus ihrem Sprachgebrauche her 
erkennen und in ihrer Sprache täglich zur Anwendung bringen. Kein 
erfahrener Schulmann wird verkennen, daß in einer solch 
scheinbar spielenden Wortbildnerei ein großes Stück 
Sprachunterricht liegt. 
11. Nach keime,r anderen bisher bekannten Methode, als nach der von 
mir vorgeschlagenen Art, wird dem Grundsätze: „Unterrichte 
elementarisch“ — daher „vom Leichten zum Schweren“ am meisten 
Rechnung getragen; und gerade gegen diesen Grundsatz verstoßen 
fast alle Fibeln, welche bis heute im allgemeinen und gleichfalls auch 
nach der „Normalwörtermethode“ abgefaßt sind. — Ich übe nämlich 
in erster Linie das phonetische (lauttreue) Lesen; erst später mit 
dem Eintritte der Großbuchstaben das Lesen nach der üblichen 
Orthographie — den Hauptgrundsatz beobachtend: „Zuerst eine 
Schwierigkeit und nicht mehr zu gleicher Zeit!“ Jenen Schulmeister- 
Pedanten aber, welche da einen anderen Grundsatz entgegenstellen 
zu Gunsten unserer altehrwürdigen — Rechtschreibung (es kam noch 
vor kurzer Zeit in unserer deutschen Sprache vor, daß dasselbe Wort 
in den verschiedenen deutschen Provinzen ebensovielmal unter 
schiedlich geschrieben wurde —): „Führe den Kindern nie ein 
unrichtig geschriebenes Wortbild vor“, erkläre ich, daß 
der Leseanfänger bei dem Wortbilde „fu" ebenso oder richtiger noch 
an den milchenden Vierfüßler denkt, als wenn der Name da 
steht, wo ihm das sogenannte stumme „f)" als ein Rätsel im Worte 
überhaupt erscheint u. s. w. Erst später (nachdem alle Kleinbuch 
staben gewonnen sind und in den mannigfaltigsten Leseübungen 
bereits Anwendung fanden) kommt zur Leseschwierigkeit an sich 
noch die Orthographieregel: „Alle Namen (Substantiva) werden 
mit großen Anfangsbuchstaben geschrieben“ und noch 
später die Lehre von der sogenannten Dehnung und Schärfung, und 
mit diesen paar Regeln schon beginnt das Orthographie-Schulkreuz, 
wird der Leseunterricht namentlich für die schwächer talentierten 
Kinder unendlich erschwert! Das Kind wird sich nun merken müssen, 
wie es bei hundert anderen Wörtern zu tun hat, daß man das Wort 
„fu" nun so: „Suf)" schreibt, und mit dem wachsenden Vermögen 
des Abstrahierens wird dann auch dieser Anforderung immermehr 
entsprochen werden können. Der erste und oberste Grundsatz für die 
Schreibung der Wörter ist und bleibt: „Schreibe bei jedem Worte 
nur so viel und jene Lautzeichen (Buchstaben), die man beim 
richtigen Aussprechen desselben Wortes auch wirklich nur hört“; 
die Ausnahmen hievon gehören zu dem deutschen Regelkram, für 
den ein Kind im ersten Schuljahre noch keinen Sinn hat und auch 
nicht haben kann. 
12. Endlich führt die „Wör termeth ode“ zu einer solchen Schreibe 
gewandtheit schon in den ersten 5—6 Monaten, wie man sie nach dem 
synthetischen Verfahren kaum in der doppelten Zeit erzielt, und 
um noch das Allerwichtigste anzuführen, es kommen nach dieser 
Methode alle Schüler selbst die am schwächst begabten 
nach und wofür ich gerade beim Jahrgange 1888 in meiner Klasse 
die sprechendsten Beweis-Exemplare erbracht habe!
	        
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