Volltext: Die Ostalpen und Österreich

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DIE ALPENLÄNDER: OSTALPEN 
schmale Silberbänder ziehen zahllose Bächlein talwärts, deren Rauschen die Luft 
erfüllt und nicht zuletzt kennzeichnend für diese Gebiete ist. 
Den Zentralalpen ist im Norden, besonders in Nordtirol und Salzburg, eine Zone 
von weichen Tonschiefern vorgelagert, die verhältnismäßig niedrige, gras 
reiche Gebirgsgruppen mit sanften Geländeformen bilden. Durch breite Fluchten 
von Längstälern von der Urgesteinszone abgegrenzt, schließen sich nach außen die 
nördlichen und südlichen Kalkalpen an, deren abwechslungsvolles Landschafts 
bild mit seiner ungeheuren Reichhaltigkeit an Farben und Formen die Mannig 
faltigkeit ihrer Gesteine widerspiegelt, die dem Mittelalter der Erdgeschichte 
ihre Entstehung verdanken. Besonders die hellgrauen Massen des Wetterstein- 
und des Dachsteinkalkes sowie der dunklere Hauptdolomit treten als Wand- 
und Gipfelbildner auf. Neben der Schroffheit der Geländeformen sind die Kalk 
alpen durch große Wasserarmut gekennzeichnet; denn die Niederschläge werden 
vom klüftigen Kalkstein verschluckt, so daß weite Striche ohne oberirdischen 
Abfluß sind. Beide Umstände zusammen verleihen der Landschaft oft ein gerade 
zu wüstenhaftes Gepräge. Nur wo tonreiche und daher wasserundurchlässige 
Mergel- und Schiefergesteine anstehen, haben sich ruhigere Formen entwickelt, 
die auch durch ihre grüne Pflanzendecke eine Unterbrechung der Kalkfelswildnis 
darstellen. 
Der Nordrand der Alpen wird von einem Streifen junger Sandsteine (Flysch) 
umgrenzt, der besonders in Vorarlberg und im Wienerwald eine größere Breite 
erreicht und mit seinen waldreichen, niedrigen Höhenzügen in das flache Alpen 
vorland überleitet. Im Süden ist kein Gegenstück dazu vorhanden. 
Damit sind freilich nur die rohen Umrisse des Ostalpenbaus angegeben, im 
einzelnen herrscht nicht nur im Baumaterial, sondern auch im Bauplan eine 
geradezu verwirrende Mannigfaltigkeit, die einen Hauptreiz der Gebirgsland 
schaft ausmacht. Es bedurfte eines langen Entwicklungsganges, ehe die Ost 
alpen ihr heutiges Aussehen erhielten. Ihr Aufbau ist das Ergebnis groß 
artiger FaltungsVorgänge, die ihren Höhepunkt in der mittleren Kreidezeit 
und im mittleren Tertiär erreicht und die ursprünglich horizontal gelagerten 
Schichten in stärkster Weise durcheinander geworfen haben, so daß es heute 
kaum mehr möglich ist, diese verwickelten Lagerungsverhältnisse zu entwirren. 
Auf weite Strecken sind ältere Schichtpakete über jüngere in Form von 
Decken aufgeschoben, deren Schubmassen oft eine weite Verfrachtung von einem 
entfernten Ursprungsorte erfahren haben. Überschiebungen und Brüche kenn 
zeichnen besonders den Bau der Kalkalpen, in den Zentralalpen herrscht hin 
gegen mehr plastische Umformung, die unter dem Druck von überlagernden 
Schichten vor sich gegangen ist. 
Durch das tausendfältige Ineinandergreifen von Faltungen, Verwerfungen und 
Überschiebungen wurde der Bau des Gebirgskörpers festgelegt, aus dem heraus 
die Flüsse dann im Verein mit Verwitterung und Schwerkraft die heutige Tal 
landschaft modelliert haben. Unablässig dauert dieses Zerstörungswerk noch heute 
fort und je höher die Gipfel, desto heftiger auch die Angriffe der landabtragenden 
Kräfte, denen sie ausgesetzt sind. Verheerende Bergstürze und Murbrüche stellen 
nur eine Steigerung eines im übrigen ununterbrochen andauernden Vorganges 
dar, und das an den reißenden Gebirgsbächen oft wahrnehmbare donnerähnliche 
Gepolter zeigt, wie selbst große Gesteine ständig vom Wasser talauswärts ver 
frachtet werden.
	        
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