Volltext: Von Mondsee und dem Mondseeland

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seewärts von der Kirche lag des Abtes Lantprecht Wohnung und im oberen 
Gaden des anschließenden Söllers (Getäfers) die Herberge des vornehmen Gastes. 
Nach der Abendmahlzeit, bei der heute der Küchenmeister den Gästen zu Ehren 
an Stelle von Milch und Käse Fische des Sees hatte auftragen lassen, begleitete 
AbtLantprecht den Pfalzgrafen in den Söller. Hier entwarfen sie die Tagesordnung 
für den morgigen Ritt zum Abersee und für die Abgrenzung des neuen Stifts- 
gebietes. Und sie gerieten dann in ein langes Gespräch über all das, was sich seit 
ihrem Beisammensein zn Rantis-Dorf in der Königstadt an der Donau ereignet hatte. 
Die erfrischende Abendluft wehte unterdessen vom See herauf in das Gemach. 
Bewundernd blickte Graf Thimo hinaus auf das Bild, das sich ihm bot. Der sanft 
bewegte, im Mondesschimmer glitzernde See, am Ostufer die leise rauschenden 
Wälder und in der Ferne der alles überragende graue Scafesberg (Schafbera). 
Und vom Baumgarten des Klosters herauf drang der berückende Duft der Blüten. 
„Es war, als Hütt der Himmel 
die Erde still geküßt, 
daß sie im Blütenschimmer 
von ihm nun träumen müßt'." 
Doch des Abtes Worte lenkten des Grafen Aufmerksamkeit wieder vou deu 
Wundern der Natur ab. Er erzählte von den Anfängen des Stiftes und dessen 
Aufblühen, von der Tätigkeit der Mönche in der Sorge um die Seelen und wie sie 
bestrebt seien, den Gläubigen das Evangelium in der Muttersprache zu verkünden. 
Lebhaft fiel ihm da der Graf in die Rede: „Mein Vater, der oft an den Hof des 
großen Karl gekommen ist, ließ von einem Mönche in Rheinfranken die heiligen 
Evangelien in unsere Sprache übersetzen. Wohl zu setzen wußten ihre Worte die 
Gelehrten des Kaisers. Aber keiner hat so schlicht und so leichtverständlich die 
lateinische Rede der Glaubensboten in der deutschen Sprache wiederzugeben 
verstanden. Gerne lese ich in dem kostbaren Vermächtnis meines Vaters." 
Und so oft hatte er schon darin gelesen, daß er dem Abte viele Stellen aus- 
wendig vorsprechen konnte, vor allem die Gleichnisse des Herrn. 
„Auh ist galihsam himilo rihhe demo, suohheuti ist guote mari greoza ..." 
(Auch ist gleich das Himmelreich einem, der gute Perleu sucht. Matth. XIII.) 
Da bat ihn der Abt, er möge ihm die so viel gepriesene Übersetzung leihen. 
Sein Schreiber beginne soeben, die heiligen Worte in lateinischer Schrift auf 
Pergament aufzuschreiben. Er werde ihn nun beauftragen, die „frohe Botschaft", 
wie sie der Apostel Matthäus geschrieben, auch in deutscher Sprache zum Nutzen 
seiner Mönche in zierlicher Schrift aufzuzeichnen. Gerne stimmte der Graf zu. 
Und wann der Abt wieder nach Regensbnrg an den Hof komme, wolle er ihm 
das Buch ausfolgen.
	        
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