Volltext: Kriegs-Kalender für das Jahr 1917 (1917)

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Vielleicht hat mir darum eitt barmherziges 
Geschick dich jetzt in den Weg geführt —" 
„Mich?" 
„Ja — du bist so reich!" Leise, fast 
angstvoll sagte er: „Die Kleine — sie ist 
o sütz — und sie hat „Opa" zu mir ge- 
agt!" 
Fast brüsk erhob sich die Frau: „Das 
sie zu allen alten Herren! Ihr „Opa" 
x schläft seit zwei Jahren auf unserem Berg- 
sriedhof daheim! Nein.- Gerhardt. Iah alles 
bleiben, wie es war! Deine Wege und die 
meinen — die führen nimmer zusammen!" 
„Du bist hart. Marie —" 
Sie schüttelte den Kopf: ».Ich bin eine 
alte/ müde Frau. Gerhardt, und du bist mir 
fremd geworden!" 
„Wo — wo fiel der Junge? Marie?" 
».Irgendwo in Frankreich — im Tod ge¬ 
hört er nicht dir — nicht mir!" sagte sie 
mit zuckenden Lippen. 
„Willst du mir nicht — das Bild las- 
Im. Marie?" 
„Wozu?" fragte sie herb. ».Für dich ist 
er einer der vielen, blühenden Menschen, die 
sich für das Vaterland opfern mutzten, nicht 
mehr!" Sie nahm das Kettchen und hing 
es wieder um. Dann erhob sie sich und rief 
das Kind: ,,Gib dem Herrn das Händchen.- 
Erni." sagte sie. und pretzte das Kind fes! 
an sich. 
„Seh ich dich wieder. Marie?" Seine 
Blicke suchten ihr Gesicht. Sie schüttelte den 
Kopf. „Wir reisen morgen schon ab. ich 
nehme das Kind und meine Schwiegertochter 
zu mir, hier hält uns nichts mehr!" 
„Dann leb wohl — und wenn du kannst, 
verzeih mir!" 
i,Verziehen habe ich längst!" Sie reich» 
ten sich die Hände und dann schritt sie mit 
dem Kinde langsam dem Parkausgang zu, 
mit leicht geneigtem Kopf, ohne sich noch 
einmal umzuwenden. 
Der alte Mann satz regungslos und 
starrte hinein in das letzte Sonnenflirren, das 
noch um die Bank spielte. Von den Wiesen 
auf stiegen schon leise Nebel. Stärker ging 
der Abendwind durch die Bäume und wehte 
die raschelnden Blätter wirbelnd in die Luft. 
Langsam stand der Mann auf und ging 
in das dämmernde Nebelweben hinein, das 
im jähen llebergang von Licht und Dunkel die 
Helligkeit aufzusaugen begann. Ganz schnell 
sanken jetzt die Abendschatten. Fröstelnd zog 
er die Schultern hoch. Wo war all der Früh- 
lingsglanz hingekommen? Langsam schritt er 
durch den herbstlich lichtlosen Park, erschauernd 
im kalten Hauch des nahen Abends. Ein 
Einsamer, an dem das Leben vorbeige» 
gangen .... 
Geld oder Srden. 
Friedrich der Trotze pflegte für beson- 
der« Leistungen im Kriege nicht nur Orden, 
ändern manchmal an Stelle solcher Auszeich- 
mngen auch Geld zu spenden. In einem 
Kefecht hatte sich nun ein junger> schneidiger 
Offizier besonders ausgezeichnet, der König 
hatte davon vernommen, lietz den Offizier 
kommen und legte ihm eine Rolle von fünf- 
zig Friedrichsd'or auf den Tisch, daneben aber 
einen Orden und sagte zu dem Offizier: z.Hier! 
Wähl' er! Eines von beiden kann er neh- 
men!" Der Offizier trat an den Tisch, steckte 
unbedenklich das Geld zu sich und machte 
eine militärische Dankeserweisung. Fried» 
rich der Grotze, der eine andere Wahl er» 
wartet hatte, blickte den Offizier ernst an und 
sagte: „Bei einem tüchtigen Offizier hätte 
ich mehr Ehre im Leibe erwartet!" — z.Sire?" 
sagte der Offizier, ,;ich habe Schulden: die 
will ich so schnell wie möglich bezahlen, das 
verlangt die Ehre! Den Orden hoffe ich 
mir wohl noch zu holen!" — ».Bravo! Das 
latz ich mir gefallen! So mag er beides ney- 
men!" sagte der König.
	        
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