Volltext: Kriegs-Kalender für das Jahr 1917 (1917)

„Der junge Miesbach hat mir manche 
sorgenvolle Stunde bereitet", begann Franz 
von neuem, „es schnitt mir ins Herz, wenn 
A euch beisammen sah." 
„Ja, ja." seufzte das Mädchen, „mein 
Wer sähe es gerne, wenn ich seine Frau 
mürbe." Der Jäger nickte stumm. 
„Dein Vater hat nur Augen und Oh- 
ten für ihn, seines Geldes wegen" meinte er 
dann in trübem Ton. 
„Das ist zu viel 
gesagt". unterbrach 
ihn Helene ernst. 
„Hans Miesbach hat 
ihm den Sinn betört, 
das ist wahr, aber 
n wird seinen Zweck 
doch nicht erreichen, 
denn freiwillig werde 
ich nie seine Frau wer- 
den, und zwingen wird 
mich der Vater nicht." 
In den Augen 
des jungen Mannes 
blitzte es hell auf, doch 
bald trübte sich sein 
Blick von neuem und 
er sprach seufzend: 
„Du wirst dem Drän- 
p deines Vaters 
doch endlich nachgeben 
müssen." 
Da schlug sie 
ihre klaren Augen voll 
zu ihm auf. Dann 
fragte sie ihn mit 
schelmischem Lächeln: 
„Glaubst du?" 
„Muh es nicht 
Immen!" 
„Nein, niemals, 
nie!" 
Stürmisch schlang 
»ranz seine Arme um 
ie schlanke Gestalt 
»es lieblichen Mäd- 
Ans. So standen 
Ii« lange schweigend 
beisammen unter der hohen Tanne. Ueber 
Wen jubilierten die Finken und Meisen und 
^otkehlchen flogen zwitschernd von Ast zu Ast. 
ooch oben aber auf der höchsten Spitze einer 
Tanne sah eine Drossel und schmetterte freu- 
>»g ihr lustiges Liedlein hinaus in die Ferne. 
„So wollen wir fest zusammenhalten, 
Mnzel, und niemand soll uns trennen", flu- 
mten leise ihre bebenden Lippen. 
, „Keine Macht der Erde!" ergänzte der 
Mge Mann leidenschaftlich. 
„Laßt die Flinte in Ruh', Mann, oder 
unsere Gewehre gehen los!" gebot der Wacht- 
meister mit Donnerstimme. 
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Dumpfe Tritte nahten. Man hörte !ein 
Rasseln, als stieße Metall an einen Stein. 
Erschreckt fuhren die beiden jungen Leute aus 
ihrem seligen Liebestraume empor. Wie mit 
Zauberschlag waren die munteren Waldsän- 
ger verstummt. Rrrr! Sie flogen davon 
und ließen sich erst in gemessener Entfernung 
lautlos auf einen Zweig nieder. 
„Sakra", hörte man in tiefem Basse flu- 
chen, „ein miserablichter Weg bis zu dem 
Forsthaus da drüben, 
will ich meinen. Und, 
he-he, werden auch 
dort den Schlingel 
nicht finden." 
Durch die Büsche 
sah man grüne Uni- 
formen mit roten Auf- 
schlügen und blanken 
goldenen Knöpfen 
schimmern. Das war 
die hochlöbliche Gen- 
darmerie des Ortes. 
Voran der Herr 
Wachtmeister mit dem 
langen rasselnden Sä- 
bel und den listigen 
Tuchsäuglein, die er 
überall umherspazieren 
lieh, um die „Vaga- 
bunben zu entlarven", 
wie er sich gerne aus- 
drückte, wenn er im 
Wirtshaus „zum gol- 
denen Stern" das gro- 
ße Wort führte. Dies- 
mal schien er noch 
schneller, als er dachte 
den Vagabunden er- 
wischt zu haben, denn 
plötzlich blieb er ste- 
hen, und indem er auf 
die Gruppe unter der 
Tanne mit der Hand 
hindeutete, rief er mit 
vor Freude und Ge¬ 
nugtuung schnarrender 
Stimme: „Da haben 
wir ihn ja schon, ihr Leute. Antreten!" 
An der Spitze seiner zwei Landjäger brach 
er nun rasch aus den Büschen hervor und 
trat wuchtigen Schrittes auf den jungen Jä- 
ger zu, der ihn erstaunt anstarrte, während 
er unwillkürlich den kalten Lauf der Dop- 
pelflinte fester umspannte. 
„Laßt die Flinte in Ruh', Mann, oder 
unsere Gewehre gehen los!" gebot der Wacht- 
meister mit Donnerstimme. „Im Namen 
des Königs und des Gesetzes, ich verhafte
	        
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