Volltext: Kriegs-Kalender für das Jahr 1917 (1917)

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vorsichtig so vorwärts tappte. Jetzt tauchte lin- 
ker Hand vor ihm gespenstig eine Weiden- 
gruppe aus dem Dunkel. Also war er rück» 
wärts gegangen! Und wenn er sich jetzt nach 
rechts wendete, muhte er wieder in seine Schilt- 
zengräben gelangen. Er suchte sich seine Ta¬ 
bakpfeife und klemmte sie zwischen die Zähne, 
fand aber in keiner Tasche Feuer. Nun schritt 
er vorsichtig die Baumgruppe entlang, da 
blitzte ihm plötzlich der Lichtstrahl von einer 
Taschenlaterne ins Gesicht, und vor seinen 
Äugen sah er eine Revoloermündung. 
„Halt! Sie sind mein Gefangener!" flu- 
sterte ihm eine vor Erregung heisere Stimme 
zu. 
Da half kein Fluchen. Er war gefangen. 
Der Offizier fragte Hans in ziemlich gu- 
tem Deutsch nach seinem Auftrag, seinem Re- 
giment und allem möglichen und untersuchte 
ihn, nur den drohenden Revolver auf Hans 
gerichtet, die Taschen nach Waffen. 
Hans log, was ihm einfiel. Fieberhaft 
arbeitete es in seinem Hirn: wie drehst du den 
Spieß um? und scheinbar ging er auf die 
Aufforderung des Russen ein, ihm die öfter« 
reichischen Stellungen zu erklären. 
Vorwärts. auf die österreichischen Erik 
ben zu!" 
Hans nahm stumm die Richtung atz 
der Russe hinter ihm her, hin und wieder 
einen Strahl aus seiner abgeblendeten La> 
terne auf den Weg fallen lassend. Etwa 
fünf Minuten mochten sie so gegangen ein, 
da huschte ein Mondstrahl durch eine Wvl> 
kenlücke. aber das genügte Hans, um sich ju 
orientieren. Er tat. als wenn er stolperte, 
fuchtelte, mit den Armen balancierend, in bei 
Luft herum, und ehe der Russe noch toufete, 
was geschah, bekam er einen furchtbaren Hieb 
von Hans Faust, daß er zusammenbrach, und 
in der nächsten Sekunde war er mit Hans 
Halstuch gefesselt, und die Mündung seine» 
eigenen Revolvers drohend im Genick, so trabt! 
jetzt der Russe vor Hans her. Er konnte et|| 
jammern, als ihm Hans vor dem schnell aui 
dem Schlafe geholten Major die Fessel« 
löste. 
„Gott! Schars! Ich denke; Sie sint 
gefallen?" rief er verwundert. 
„Ja. aber wieder aufgestanden, Hm 
Major!" 
USüHSSSiJ 
eine merkwürdige Verwechslung. 
Die 'Zeitung ;.Le Cri de Paris" erzählt 
folgendes Eeschichtchen: Die französische Re- 
gierung hatte jüngst dem Oberkommandanten 
eines verbündeten Heeres eine gewisse An- 
zahl von Kreuzen der Ehrenlegion zur Ver- 
teilung an seine Offiziere übergeben. Der 
General beauftragt seinen Generalstabschef, 
eine Liste der Vorzuschlagenden aufzustellen 
die der Ordenskanzlei übergeben wurde. Kurze 
Zeit darauf erhielten denn auch einige drei- 
ßig Offiziere des Verbündeten das Patent 
der Auszeichnung, aber zur großen Ueber- 
raschung des Oberkommandanten und seines 
Generalstabschefs war darunter kein einziger 
der von ihnen Vorgeschlagenen. Man gl 
der Sache verschwiegenerweise nach und bal 
war des Rätsels Lösung gefunden: Im Haupt« 
quartier war verschiedener Listenkram zu # 
ledigen gewesen, darunter auch die Liste d« 
Auszuzeichnenden und eine Liste von Offip 
ren. die sich der Impfung gegen Typh«! 
unterziehen sollten. Unglücklicherweise hat!« 
man beide Listen verwechselt und die 2m# 
liste an die Ordenskanzlei gesandt. „Hofst> 
wir." meint „Le Cri de Paris", „daß d« 
so ihrer Auszeichnung verlustig gegange« 
Offiziere zum Ersatz hiefür besonders gut g» 
impft worden sind . .
	        
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