„Zum Wohl, meine Herren!" Aber grad.
als sie die Gläser gefüllt hatte, da passierte
etwas Anerhörtes: der mit den Schmissen
fasste sie blitzschnell um die Taille und gab ihr
einen Kuß
„Aber," stammelte die Stina entrüstet und
riß sich los, „aber —"
Jetzt legte sich auch der Monokelbewehrte,
der anscheinend sprachlos vor Staunen dem
Vorgang zugesehen, ins Mittel und fuhr seinen
Nachbar sehr unsanft an:
„Aber mein Lieber, was soll denn das
heißen?"
Diese Matzregelung, von einem geradezu
vernichtenden Blicke begleitet, übte auf den
Verwegenen eine seltsame Wirkung aus, und
ganz verwirrt stammelte er seine Entschuldi¬
gung :
„Verzeihung — königliche Hoheit — Ver¬
zeihung —"
Ein paar Sekunden stand Stina offenen
Mundes starr und wortlos da, wie weiland
Lots eheliches Weib. Dann kreischte sie laut
auf: „Jesses!" Und raffte sich zusammen
und floh nach draußen.
„Vadder, Vadder!"
Der steuerte eben in Hemdärmeln über
den Hof und schleppte außer seinem ansehn¬
lichen Bäuchlein zwei Eimer, um die Gäule
zu tränken.
„Vadder, Vadder!"
Was denn los sei, frug Jodokus Schmitz
ziemlich gelassen, als seine Tochter atemlos
bei ihm angekommen war.
Ein Fürst, ein leibhaftiger Prinz sätze
drinnen in der Wirtsstube, .berichtete Stina
mit abgerissenen, stammelnden Worten und
gab, so gut es ging, das eben passierte Aben¬
teuer zum besten.
„Dumme Gans!" hauchte der dicke Jo¬
dokus seine Tochter an und lachte höhnisch
auf. Ein Fürst! • Wie sollte der sich nach
Hintermeilingen verlaufen?"
„Warum denn. nicht? Kein anderer
könnte das sein, als der Prinz Theodor, der
jetzt drunten in der Stadt die Aniversität be¬
suche. Neulich noch sei der mit seiner ganzen
Verbindung auf einem Ausflug in Zitzen,
Vrenk und Lützingen gewesen und wenn er sich
in diese Nester verlaufen habe, so könne es
ihm doch nicht zu wenig fein, auch in Hinter¬
meilingen einzukehren.
Gerade der letzte Hinweis hatte Beweis¬
kraft. Jodokus Schmitz stellte natürlich die
Eimer nieder und verschränkte kleinlaut die
dicken Arme, wobei er bei sich konstatieren
mutzte, datz sein Herz ein schnelleres Tempo
anzuschlagen begann.
Aber dann fing er wieder hu zweifeln
an. Man könne nicht wissen, meinte er. ob
es sich mit der Anrede „Königliche Hoheit"
nicht nur um einen Scherz handle.
Dem sei abzuhelfen, wandte die Stina
ein. Die „schöne Jule" könne das leicht fest¬
stellen. Die sei bis vor kurzem ja Kindermäd¬
chen in der Universitätsstadt gewesen und re¬
nommiere ja stets damit, datz sie den Prinzen
Theodor weiß Gott wie oft von Angesicht
zu Angesicht gesehen habe.
Dagegen sei nichts einzuwenden, meinte
nun auch Jodokus Schmitz, und wenn die
Juls in dem Herrn da drinnen den Prinzen
wiedererkenne, so könne es wohl kaum ein an-
andcrer sein. — Wie vorauszusehen war, dau¬
erte es eine Weile, bis die schöne Jule er¬
schien. Denn wie keine andere Jungfrau in
Hintermeilingen hielt sie auf ihr Aeutzeres
außerordentlich viel, und um keinen Preis
war sie dazu zu bewegen, so wie sie war der
Stina den erbetenen Freundschaftsdienst zu
leisten. And so verging eine gute halbe Stun¬
de, bis sie sich in ihren großstädtischen Sonn¬
tagsstaat geworfen hatte, mit dem sie, beson¬
ders durch die gelben Stiefelchen, die aus¬
geschnittene Seidenbluse und die gebrannten
Locken — seit ihrer Rückkehr aus der Stadt
allen Gutgesinnten des heimatlichen Dorfes
zum Aergernis geworden war.
Inzwischen wandelte Jodokus Schmitz,
nachdem er sich allsogleich unter vieler Mühe
den schwarzen Feiertagsrock gezwängt hatte,
wie ein unruhiger Geist durchs Haus. Tau-
sendwetter, man hatte doch zwei Feldzüge
mitgemacht und selbst bei Spichern nicht ge¬
zittert, und nun kriegte man Herzklopfen vor
diesem jungen Herrn! Und gerade da er im
besten Zuge war, sich ob seiner mangelnden
Courage einen rechten Jammerlappen zu schimp¬
fen, öffnete sich zum Ueberfluh noch die Türe.
hinter der die Gefürchteten saßen, und „Wirt¬
schaft, Wirtschaft", rief jemand-
Und von der Stina war immer noch
nichts zu sehen.
Na, dann Kopf hoch und herein in die
Bude! Aufgefressen würde man ja nicht, und
die Herren würdens schließlich nicht mal so
genau nehmen, wenn man sich etwas unge¬
schickt anstellte.
Und so war es auch. Die Herren nahmen
die Referenz, die ihnen Jodokus Schmitz mit
sechs tiefen und etwas linkischen Bücklingen
beim Eintreten zollte, mit einem leutselig
wohlwollenden Lächeln entgegen und schoben
ihm die leere Flasche hin.
„Roch eine, bitte!"