Volltext: Kriegs-Kalender für das Jahr 1915 (1915)

zunächst den Feind mal anzusehen. Er ging 
zur Grenze und sah auch tatsächlich, wie eine 
Abteilung von etwa 50 Kavalleristen wie ra¬ 
send heranstürmte: sie waren noch etwa 800 
Meter entfernt. Da krachte plötzlich ein 
Schutz, gleich darauf ein zweiter, dritter und 
vierter. Beim vierten Schutz fiel der russische 
Offizier, der die Patrouille führte, tot vom 
Pferde. Der nächste Schutz warf einen rus¬ 
sischen Gefreiten tot in den Sand. Als der 
siebente Schutz fiel, machte die ganze „Hel¬ 
denschar" Kehrt und flüchtete eiligst. Und wer 
waren die Sieger? Drei deutsche Infanteri¬ 
sten. die in einem Kartoffelfelde lagen und 
deren Feuer ausgereicht hatte, um 50 rus¬ 
sische Kavalleristen wie die Hasen vor sich 
herzusagen. 
13. August: Kriegserklärung Englands 
an Oesterreich-Ungarn. — England sperrt die 
überseeischen Kabel. — Aus Belgien werden 
furchtbare Greuel gegen die Deutschen bekannt. 
— Minen sind an den englischen Küsten ge- 
kegi. — Der deutsche Botschaftsbeamte Dr. 
Kattner in Petersburg ist vom Pöbel ermor¬ 
det worden bei der Zerstörung der deutschen 
Botschaft. — Der österreichische Lloyddampfer 
„Baron Gautsch", der mittags Lussin grande 
verliest, um nach Triest zu dampfen, ist auf 
der Fahrt gesunken. Es konnten 130 Per¬ 
sonen an Fahrgästen und Mannschaften ge¬ 
rettet werden, zwanzig Leichen wurden ge¬ 
borgen. Der „Baron Gautsch" war einer 
jener eleganten Dampfer, die den Eilverkehr 
Triest—Cattaro besorgten. Auf welche Art 
sich das Unglück ereignete, ist noch nicht ge¬ 
klärt. 
14. August: Siegreiche Kampfe in Ser¬ 
bien. Die österreichischen Truppen warfen 
am 14. August nach heftigen Kämpfen den 
Feind aus einer seit längerer Zeit befestigten 
und stark besetzten Aufstellung auf den öst¬ 
lichen Uferhöhen der Drina nächst Losnica 
und Ljesnica. Hier sowohl wie bei Schabatz 
wurden am 14. d. M. nachmittags und in 
der Nacht zum 15. ds. zahlreiche mit grotzer 
Tapferkeit geführte Gegenangriffe der Ser¬ 
ben abgewiesen. Den 15. August setzten die 
österreichischen Truppen die Vorrückung fort. 
— Die Einnahme von Schabatz. Ueber die 
Kämpfe bei Schabatz geben Kombattanten, 
die in der Feuerlinie standen, im „Neuen 
Pester Journal" folgende Schilderung: Der 
Einnahme von Schabatz gingen Vorpostenge¬ 
fechte voraus, die überaus schwierig waren. 
Es war dem dortigen Kommandierenden be¬ 
kannt, datz die serbischen Save-Ufergebiete von 
überaus starken feindlichen Truppen besetzt 
waren, deren Aufgabe darin bestand, mit Ge¬ 
wehr- und Infanteriefeuer den Uebergang 
österr. Truppen über den Fluh zu verhindern. 
In Kähnen, auf Plätten und Pontons er¬ 
folgten kompagnieweiss und stets zur Nachtzeit schei 
die Versuche, feindliches Land zu erreichen, sisch 
150 serbische Soldaten, welche über die Grenzet 
flüchteten, wurden entwaffnet und nach der Rus 
Festung Komorn gebracht. Sie sehen sehr flut 
herabgekommen aus, die Uniformen sind total schei 
zerfetzt. Eine Fahne, zwei Geschütze uns feit 
zwei Maschinengewehre wurden erbeutet. Dir Es 
Verluste des Feindes sind schwer, auch die me! 
österreichischen Verluste sind nicht unbettächt-^ br< 
lich, doch fehlen noch Einzelheiten darüber. Gc 
— Die montenegrinischen Kräfte, die aus gt 
österreichisches Gebiet einzudringen versuchten, sech 
wurden allenthalben zurückgeworfen. — Von fck 
den beiden oben genannten Orten Losnica wsk 
und Ljesnica liegt Losnica an der Drina, ti 
dem Grenzflüsse zwischen Bosnien und Ser- Hä 
bien, Ljesnica weiter im Lande drinnen, an D> 
einem kleinen Nebenflüsse der Drina. Dir Vik 
Stadt Schabatz liegt an der Save, und zwar terr 
an der Mündung des Flusses Kamitschak in Stö 
dieselbe. Es ist eine der wichtigeren Städte gl 
Serbiens ünd zählt etwa 11.000 Einwohner- «el 
ist der Sitz eines Bischofs, hat ein Unter- mi 
gymnasium und unterhält einen starken Han- r 
vel mit einheimischen Produkten. Schabas k, 
wurde seinerzeit durch den Prinzen Eugen füi »u 
die österreichische Monarchie erobert und blick br 
einige Jahrzehnte auf Grund des Frieden« gen 
von Pafsarowitz in österreichischem Besitz. Auä Dil 
Kaiser Josef hat die' Stadt und das alte zösi 
Türkenschlotz in dem türkischen Feldzug einge- vo 
nommen, dann fiel aber Schabatz ebenso roit visi 
Belgrad wieder an die Türkei zurück. In d« de 
neuesten serbischen Geschichte wurde Schabas wez 
dadurch bekannt, datz die Regierung nach d« Na 
Ermordung des Königs Alexander und da Be 
Königin Draga die ihr unbequem gewordene« rü 
Königsmörder dahin verbannte. — Di< len 
deutsche Negierung hat an die französisch risc 
und belgische Regierung eine ernste Warnum k 
wegen Beteiligung ihrer Bevölkerung a« 3 
Kriege gerichtet. — England und Frankrest ml 
suchen Italien durch Versprechungen und Dr» 55. 
Hungen zu bearbeiten. M 
15. August: Teilweises Landsturmauf- lai 
gebot in Deutschland. r 3«' 
16. August: Kaiser Wilhelm geht zu ' 
Front ab. — Die russischen Truppen bi- no 
ginnen den Abmarsch nach Osten. 
17. August: Schlappe deutscher Streit 9™ 
fräste bei Schirmes. — Lüttich ist nur vo> t?ri 
sechs schwachen Friedensbrigaden mit etw« **?■ 
Kavallerie und Artillerie genommen worden. Per 
— Belgien weist die Hand zur Versöhn« M 
zurück. — Spanien erklärt strikte Neutra!» 
tät. — Die Zarin-Mutter ist auf der Reß yr 
durch Deutschland mit unangebrachter Dreß^' 
stigkeit aufgetreten. fm
	        
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