Volltext: Kämpfer an vergessenen Fronten

nicht berücksichtigen und setzten die erforderlichen Gegenmaßnahmen mit Unterstützung des Thronfolgers 
Franz Ferdinand auch durch. 
Die Zeit der italienischen Neutralität nach Ausbruch des Weltkrieges. 
Der Ausbruch des Krieges brachte natürlich sür den gesamten Nachrichtendienst das Maximum an 
Tätigkeit mit sich. Für uns in Tirol handelte es sich zunächst darum festzustellen, wie sich Italien in dem 
Konflikte verhalten würde. Wir wußten, daß der Kriegsausbruch Italien militärisch recht wenig vorbereitet 
traf. Infolge des Tripoliskrieges waren die italienischen Äeeresmagazine so ziemlich leer. Die italienische 
Artillerie war bezüglich ihres Materials nicht auf der Höhe, und auch die Kriegsstimmung im Lande ließ 
sehr zu wünschen übrig. Nach dem Dreibundvertrage sollte im Falle eines Krieges mit den Ententemächten 
Italien mehrere Korps an den Rhein entsenden, die teils durch Tirol, teils durch Salzburg transportiert 
werden sollten. Da in der letzten Zeit vor dem Kriege die italienischen Aspirationen auf Trient und Trieft 
immer deutlicher zutage getreten waren, stand unsere Heeresleitung selbst dem Transport dieser für den 
Dreibund bestimmten Lnlfstruppen mit einigem Mißtrauen gegenüber und war nicht sicher, ob Italien die 
durch Tirol und Salzburg zu befördernden Korps nicht nach dem Überschreiten der Grenze plötzlich aus- 
waggonieren würde, um Tirol und Kärnten zu besetzen und dadurch die Abtretung der italienischen 
Gebiete der Monarchie zu erzwingen. Im österreichischen Aufmarschplan gegen Rußland war daher vor- 
gesehen, daß das in den westlichen Alpenländern stehende XIV. Korps (Innsbruck) erst dann nach dem nörd¬ 
lichen Aufmarschgebiet abzurollen hatte, wenn die italienischen Transporte an den Rhein unser Gebiet 
bereits passiert hatten. Der Nachrichtendienst mußte daher zunächst feststellen, ob Italien im Sinne des 
Dreibundvertrages auch sogleich mobil machte und die Hilfstruppen zur vereinbarten Zeit unser Gebiet 
passieren würden, so daß unser Korps planmäßig abtransportiert werden konnte, oder ob sich in der italienischeil 
Mobilisierung derartige Verzögerungen ergaben, daß mit einem verspäteten Durchtransport der Italiener 
gerechnet werden mußte, was eine weitere Zurückhaltung des XIV. Korps erforderlich erscheinen ließ. 
Der Notenwechsel zwischen uns und Italien ergab in kurzer Zeit, daß Italien sich nicht an die Bedin- 
gungen des Dreibundvertrages gebunden sühlte, und unsere Agenten berichteten auch, daß jenseits der Grenze 
keinerlei Maßnahmen feststellbar waren, welche auf eine im Gange befindliche oder wenigstens bevorstehende 
Mobilisierung schließen ließen. Italien erklärte dann auch offiziell seine Neutralität, und unser XIV. Korps 
rollte programmgemäß nach Galizien ab. Die Heeresleitung verfügte jedoch, daß die gegen Italien 
arbeitenden Kundschafterstellen im vollem Ausmaße aktiviert zu bleiben hätten und allen Vorgängen beim 
ehemaligen Bundesgenossen größte Aufmerksamkeit widmen müßten. 
Die ersten Wochen nach Ausbruch des Krieges verliefen in unserem Bereiche ohne nennenswerte Er¬ 
eignisse. Der Ausklärungsdienst hatte nichts zu berichten, und auch der Abwehrdienst machte keine Feststellungen, 
die auf agressive Absichten der Italiener hätten schließen lassen. Dies änderte sich jedoch kurze Zeit nach den 
ersten großen Schlachten im September in Galizien, in denen unsere Armeen zum Rückzüge gezwungen waren. Der 
Abwehrdienst stellte fest, daß eine verschärfte Erkundungstätigkeit seitens der Italiener eingesetzt habe, der wir 
insofern nur schwer begegnen konnten, als zwischen Italien und uns kein Paßzwang bestand und den italie¬ 
nischen Nachrichtenagenten daher der Grenzübertritt in keinerlei Weife erschwert war. Das Militärkom- 
mando in Innsbruck verlangte zwar wiederholt die Einführung des Paßzwanges gegen Italien, was leicht 
zu begründen gewesen wäre, da Italien gleich nach Ausbruch des Krieges unter dem Borwande der Ver- 
hütung von Seucheneinschleppungen den Paßzwang in sein Gebiet eingeführt hatte. Anfer Außenministerium 
wies aber alle bezüglichen militärischen Anträge mit der Begründung ab, daß Italien dies als unfreundlichen 
Akt auslegen könnte und dies die Spannung zwischen den beiden Staaten erhöhen müßte, was unerwünscht 
sei. Der Abwehrdienst hatte daher ganz bedeutende Schwierigkeiten zu überwinden, um halbwegs seiner 
Aufgabe gerecht zu werden. 
Unterdessen hatte der Aufklärungsdienst festgestellt, daß die Entente in Italien eine großzügige Propa¬ 
ganda eingeleitet hatte, um Italien an ihrer Seite zum Eintritt in den Krieg zu bewegen. Zwar besagten 
verschiedene Meldungen, daß die Stimmung in einem großen Teil des italienischen Offizierskorps (nament¬ 
lich bei der Kavallerie und Artillerie) gegen einen Krieg mit dem ehemaligen Bundesgenossen sei, andererseits 
waren aber wiederum verschiedene Vorgänge zu beobachten, die ein langsames Verstärken der italienischen 
Truppen an unserer Grenze erkennen ließen, Unsere Heeresleitung gab daher den Befehl, daß die Grenz-
	        
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