Volltext: Kämpfer an vergessenen Fronten

ist vollkommen ausgeschlossen.^) Ich möchte aber unterstreichen, daß eine Gefahr für Deutschland von dieser 
Seite her nicht besteht. Ich glaube nicht, daß die „weißen" Kräfte in der nächsten Zeit überhaupt in der Lage 
sein werden, sich zu sammeln und eine einheitliche Führung zu finden." 
Hauptmann X fügt hinzu: „Die Ausführungen entsprechen vollkommen meinen Ansichten. Auch der 
Rat der Volkskommissare vertritt diese Ansicht." 
Das Arbeiten in Reval ist tatsächlich ein großes Vergnügen; man findet weitgehendste Unterstützung 
sowohl bei den Balten als auch bei deu russischen Monarchisten, die durch das furchtbare Anglück, das über 
Rußland gekommen ist, eingesehen haben, daß die bisherige Politik eine sehr unglückliche war. 
Das Agentennetz in Rußland ist Ende Juni endgültig fertiggestellt. Ihren Beziehungen und Kennte 
nissen nach sind den Agenten bzw. den Vertrauensleuten die Aufgaben zugeteilt: militärische, politische oder 
wirtschaftliche Berichterstattung. Die Übersendung, d. h. die Weiterleitung an mich erfolgt reibungslos. 
DieDeckadressen inMoskau und Petersburg, beideStellen von ehrenhalber arbeitenden Persönlichkeiten ge- 
führt, leiten die Briefe an mich weiter. Die Organisationsarbeiten waren, ich will es offen sagen, für mich 
leicht, da ein Überangebot an zuverlässigen Vertrauensleuten vorhanden war. Was das leichte Arbeiten 
anbetrifft, so will ich damit nicht etwa sagen, daß es für jeden leicht wäre. Selbstverständlich erfordert die 
Leitung einer solchen Nachrichtenstelle Sachkenntnis und gute Beziehungen. Ich verfüge über diese Be¬ 
ziehungen reichlich. Man muß auch ferner, um die Meldungen überprüfen zu können, über das betreffende 
Land, das man auszukundschaften hat, vollkommen orientiert sein. 
.Joeute, Ende Juni, ist meine Organisation jedenfalls vollkommen ausgebaut und fertig. Wir sind über 
alle Vorgänge in Rußland, ob militärischer, politischer oder wirtschaftlicher Art, vollkommen im Bilde. 
Die Meldungen gehen pünktlich ein. Außergewöhnliche Vorgänge werden mit Vorrang befördert. Die 
neugeschaffene rote Armee ist uns bis in die kleinsten Details bekannt. Außerdem werden durch einen weite- 
ren Vertrauensmann alle interessanten Vorgänge außenpolitischer Art und Vorgänge in der Partei- 
leitung gemeldet. 
Das Arbeiten ist ferner insofern wenig schwer, als die Spionageabwehr der Volschewiften sowohl auf 
militärischem als auch auf politischem Gebiet vorläufig noch nicht organisiert ist. Die Hauptaufgabe der 
Tscheka konzentriert sich vorläufig lediglich auf die Ausrottung des Bürgertums. Militärischerseits besteht 
überhaupt noch keine Spionageabwehr bei den Bolschewisten. Das Durchkommen der Agenten durch die 
Front und das Kerumreisen in Rußland selbst bereitet keinerlei Schwierigkeiten. Ich hatte, um diese meine 
Ansicht bestätigt zu wissen, mehrere Vertrauensleute, die mit besonderen Aufträgen für mich reisten, gebeten, 
aus den verschiedenen Orten, die sie berührten, Karten bzw. Briefe an die Petersburger bzw. Moskauer 
Deckadresse zu schicken. Ich habe diese Briefe bzw. Karten ausnahmslos erhalten. Aber selbst wenn die 
Bolschewisten eines Tages die Spionageabwehr organisieren, ist nichts mehr zu befürchten, da das Netz 
bereits besteht und die beiden Deckadressen in Moskau und Petersburg tadellos funktionieren. 
Anfang August 1918. 
Der russische Gardeoberst Durnowo wird mir eines Tages im Juli in einer streng geheimen und 
vertraulichen Angelegenheit avisiert. Ich bin außerordentlich gespannt, worum es sich handelt. Durnowo 
kenne ich von Petersburg her. .... 
Der Vater Durnowos war der bekannte Ministerpräsident, ein streng konservativer Mann, und im 
Gegensatz zu den Behauptungen der Linken sehr klug und weitsehend. Er fühlte das Unglück nahen, erkannte, 
worauf die Panslawisten und Nikolai Nikolajewitsch hinarbeiteten. In einem sehr überzeugend gehaltenen 
Memorandum flehte der alte Durnowo den Zaren im Frühjahr 1914 an, auf die Kriegstreiber nicht zu hören, 
da Rußland im Entscheidungskampf gegen Deutschland nicht siegen, sondern zusammenbrechen würde. Im 
Gegensatz zu den Kriegstreibern wies Durnowo im Interesse Rußlands und der russischen Zukunft auf die 
Notwendigkeit einer Verständigung und Freundschaft mit Deutschland hin. Der willensschwache Zar hatte 
*) Ich gebe den sehr ausführlichen Bericht stark gekürzt wieder. Die Meldung hat sich, wie die Entwicklung der Er¬ 
eignisse später zeigte, vollauf bestätigt. In wahnsinniger Verblendung wollten die russischen parlamentarischen Parteien 
selbst nach der Errichtung der bolschewistischen Diktatur, nachdem sie als gehorsame Söldlinge der Entente Rußland in 
die ?Irme des Bolschewismus getrieben hatten, noch immer nicht einsehen, daß ein Friede für Rußland und nicht ein 
Krieg die einzige Rettung war. Besonderes interessant hierbei ist die Tatsache, daß gerade die russischen linken Gruppen 
(Sozialrevolutionäre usw.) neben den linken bürgerlichen Parteien durchaus imperialistisch eingestellt und fanatisch 
deutschfeindlich waren.
	        
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