Volltext: Kämpfer an vergessenen Fronten

Zischend steigt eine rote Rakete aus dem Kommandantenturm des Flugzeuges in die Nacht, die Anfrage, 
ob wir starten dürfen. Zwei kurz hintereinander abgeschossene grüne Raketen geben uns vom Startoffizier 
den Bescheid, daß sür uns der Start frei ist. Wir rollen zur Startbahn. Die Scheinwerfer, die rechts 
und links der Startbahn wie eine Lichterallee aufgestellt sind, flammen auf... Vollgas! — Noch ein 
letztes Winken zu den Kameraden, dann brausen wir am Starttisch, an dem der Startoffizier mit der Äand 
an der Mütze salutierend steht, vorbei und fliegen dem Feinde entgegen. Ämter uns erlischt die Schein- 
werferallee, alles ist wieder in undurchdringliches Dunkel gehüllt, nur die brennenden Auspuffgase unserer 
Motoren zeichnen unsern Weg. Am die frontmäßige Äöhe zu erreichen, müssen wir erst über dem Flug- 
platz kreisen. Anten flammt die Scheinwerferallee auf, ein weiteres Flugzeug startet. Inzwischen hat 
unser Kommandant den Befehl geöffnet: Boulogne ist heute nacht anzugreifen, und besonders die Äaseu- 
anlagen sind zu bombardieren. Nun wissen wir, welches Ziel wir anzufliegen haben. Bald ist die Front 
erreicht, in langer Schlangenlinie zieht sie sich von Norden nach Süden. Aus taufenden Schlünden speit 
sie Feuergarben. Anwillkürlich müssen wir an die braven Infanteristen denken, die da unten aus einem 
Sprengtrichter in den anderen stürzen und taumeln, um Deckung zu suchen. Vor uns blitzt ein Scheinwerfer 
der Etappenflaks des Feindes auf, man hört uns kommen. Dadurch werden wir wieder auf unser eigenes, 
nicht minder gefährliches Anternehmen hingewiesen. Ein zweiter blitzt auf, da, rechts daneben gesellt sich 
ein dritter dazu. Ihre Riesenfinger fuchteln nervös und aufgeregt nach allen Richtungen, gehen ganz dicht 
an uns vorbei, einer wischt zurück, da, jetzt hat er uns fest und krallt sich an. Hierher! Äier ist der 
Boche! Taghell ist es im Flugzeug. Gierig greifen nun alle anderen Lichtarme nach uns, als wollten 
sie uns zur Erde herunterreißen. Sofort verlegt die Flakbatterie ihr Feuer und schleudert uns ihre Ge- 
schösse entgegen. Die Detonationen der krepierenden Granaten übertönen das Motorengeräusch. Mit 
erhöhter Geschwindigkeit und durch Kurven versuchen wir aus der Amklammerung der Scheinwerfer zu 
kommen. Es ist geglückt. Ämter uns huschen die Lichtarme der Scheinwerfer wütend hin und her. Bis 
Boulogne werden wir nun von den Flaks nicht mehr belästigt, da wir sämtliche an unserer Route liegende 
Orte umfliegen. Dafür müssen wir aber auf feindliche Jagdflieger um so mehr acht geben. In Boulogne 
ist bereits die Joölle los! Eines unserer Flugzeuge befindet sich schon über der Stadt und wirft unbeküm¬ 
mert ob des Tobens seine Eier ab. Jetzt hört man auch uns kommen und setzt uns im Augenblick ein wüstes 
Sperrfeuer vor die Nase, bis in 4000 bis 5000 Meter Äöhe zieht sich die Wand der krepierenden Geschosse. 
Wie leuchtende Perlschnüre hängen Phosphorgeschosse in der Lust, ein schaurig-schöner Anblick. Doch 
durch müssen wir unter allen Amständen! Die Zahl der Scheinwerfer ist beängstigend groß, vor uns ein 
ganz dicker, zweimal schon hat er uns gestreift, ohne uns zu erwischen. Nun steht er still wie ein zum 
Sprunge ansetzendes Raubtier, ganz langsam bewegt sich der Riesenfinger auf uns zu, geht aber etwas 
zu weit nach rechts vorbei, kommt zurück und gleich darauf hat er uns. Wie eine Meute stürzen sich 
sofort 10—15 Scheinwerfer auf uns, taghell ist das Flugzeug beleuchtet. Anten hebt ein Blitzen an, als 
ob die Äölle losgelassen wäre, hunderte von Granaten werden uns entgegengeschleudert, wir sitzen mitten 
drin im Splitterhagel. Da, ein Krach! — Ein Propeller war von einem Sprengstück getroffen und zer- 
splittert, der Motor muß abgestellt werden. Wir fliegen mit drei Motoren weiter. Endlich sind wir über 
dem Ziel. Ratsch, den Äebel runter, die erste Bombe verläßt uns. Endlos drückendes Warten, es wird 
doch nicht ein Blindgänger sein? Dort blitzt es bläulich auf, ein dumpfer Krach und — Kurra! — der Gaso¬ 
meter einer Gasanstalt fliegt in die Luft. Das Ziel ist gut, und in kurzen Abständen folgen nun die übrigen 
Bomben. Inzwischen haben noch mehrere Flugzeuge am Bombardement teilgenommen, so daß die Flaks 
und Scheinwerfer tüchtig zu tun haben. Einige lassen von uns ab, nur der dicke hält uns eisern fest in 
seinem Lichtkegel. Jetzt steht er senkrecht unter uns, schnell das Maschinengewehr nach unten und 200 Schuß 
Dauerfeuer in die blendende Kelle. Bautz!— zu ist er, wir sind durch. Am beim Rückflug den feind¬ 
lichen Jagdfliegern auszuweichen, fliegen wir jetzt auf See hinaus, lassen die englische Küste links liegen und 
fliegen den Kanal entlang nach Ostende zu. In der Äöhe von Calais müssen wir allerdings nochmals die 
Bekanntschaft feindlicher Flaks machen, doch die Schüsse sitzen sämtlich zu hoch. Nach einem Flug von 
sieben Stunden Dauer stehen wir wieder über unserem Flughafen, eine grüne Rakete verläßt unseren Beob- 
achterturm und unten blitzen die Landelichter auf. Noch ein schöner beruhigend wirkender Gleitflug, und 
die Erde hat uns wieder. Nach kurzem Imbiß im Kasino und Berichterstattung beim Abteilungsleiter 
ziehen wir uns in die Quartiere zurück, um für den nächsten Tag wieder bereit zu sein.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.