Volltext: Kämpfer an vergessenen Fronten

durchs Glas einen deutschen Flieger feststellen zu können. Dies war aber, wie sich später herausstellte, ein 
Irrtum. Da das Krepieren der Granaten der feindlichen Abwehrgeschütze immer heftiger wurde, und zumal 
wir uns unseres Auftrags bereits entledigt hatten, nahm ich wieder Kurs auf See zu, da dies immer dort 
an der Küste der ungefährlichste Weg zur Rückkehr zum Flugplatz ist, um aus dem Schußbereich des 
Feindes von der Erde aus zu entkommen. Wir flogen immer noch in Äöhe von 3500 Meter und hatten in 
etwa 15 Kilometer von der Küste entfernt Nienport rechtsseitlich liegend gepeilt, als wir plötzlich und ahnungs¬ 
los mit verheerendem Maschinengewehrfeuer überschüttet wurden. Die ganze Garbe der Schüsse ging uns, 
und zwar aus allernächster Nähe, von hinten unten durch den Benzinbehälter und meine Beine in den Motor. 
Dieser setzte erklärlicherweise sofort aus, da mit dem Durchlöchern des Behälters der Druck abließ und ich 
gezwungen war, durch sofortiges Betätigen des Tiefensteuers zum Gleitflug überzugehen. Sofort nach 
Einsetzen des feindlichen Feuers erwiderte mein Beobachter dieses seinerseits aus dem rückwärts ausmün- 
denden Maschinengewehr unseres Apparats auf den, wie sich jetzt durch einen Blick nach hinten feststellen 
ließ, etwa 50 Meter rückwärts schräg unter uns fliegenden englischen Doppeldecker. Leider ließ die Schräg¬ 
lage, die durch den Gleitflug hervorgerufen war, ein weiteres Feuern nicht mehr zu, da der Winkel 
für das Einstellen des Maschinengewehrs zu steil wurde. Der Engländer, der mit seinem vollkommen 
unversehrten Flugzeug uns an Schnelligkeit und Manövrierfähigkeit bei weitem überlegen war, hatte 
uns schon bei 3200 Meter Äöhe wieder in seinem Feuer, und die Geschosse Hagelten, sehr deutlich hörbar, 
in den Motor. Dies war der Augenblick, wo ich einen schnell gefaßten Entschluß auf Biegen oder Brechen 
ausführte und meine L. Y. G.-Maschine so steil stellte, daß sie auf Äöhenstener nicht mehr reagierte, ins 
„Trudeln" kam und mit rasender Geschwindigkeit abwärts ging. Es blieb mir eben nur dieser eine Ent- 
schlnß, der mir auch zur Rettung wurde, insofern, als es mir gelang, die Maschine in etwa 800 Meter 
Köhe mit Seitensteuer und Verwindung wieder zu fangen. Da wir aber, wie schon erwähnt, noch etwa 
15 Kilometer von der Küste entfernt waren, war ich wohl oder übel genötigt, mit meinem Apparat in die 
See zu gehen. Nachdem ich die Maschine kurz über der Wasserfläche lange ausschweben ließ, riß ich beim 
„Durchsacken" noch einmal kräftig das Äöhenstener an, und im nächsten Augenblick, nachdem das Fahrgestell 
das Wasser gestreift hatte, waren Motor und Führersitz auch schon unter den Wellen verschwunden. Ich 
arbeitete mich durch den Spannturm auf die aus dem Wasser hervorragende obere Tragfläche herauf und sah 
nun erst meinen Beobachter, vollkommen unverwundet, in seinem Sitz stehen. Meine beiden Unterschenkel 
waren durchschossen, und zwar rechts beide Knochen, was mir den Gebrauch dieses Beines vollständig un¬ 
möglich machte. 
Mein Beobachter entschloß sich nach Abfeuern einer noch trockenen Leuchtrakete, trotz mehrfachen Ab, 
ratens meinerseits, an Land zu schwimmen. Er entledigte sich seiner sämtlichen Kleidung, obgleich Frost- 
wetter herrschte, und sprang unter der Versicherung, mir sofort Kilfe zu schicken, ins Meer. Diese Ver¬ 
sicherung war ein schwacher Trost für mich, insofern als ich, über 6 Kilometer von der Küste entfernt, auf 
meinen Flugzengtrümmern nicht auf rechtzeitige Äilfe rechnen durfte. Schon nach 200 Meter sah ich, durch 
die Dünung beeinträchtigt und auch wohl zur Genüge mit meinem eigenen Schicksal beschäftigt, nichts mehr 
von meinem mir so lieb gewordenen Beobachter und Waffengefährten. Jetzt erst kamen die schlimmsten 
Augenblicke für mich. Indem das Flugzeug langsam weiter wegsank und die einzigen Lebewesen um mich 
herum ein Schwärm kreischender Möven waren, begann zum Überfluß eine feindliche Strandbatterie von 
Nieuport aus auf mich und mein Flugzeug zu schießen. Die Belgier stellten das Feuer aber bald wieder 
ein, da scheinbar die Munitionsvergeudung vergeblich war, was meine Lage aber keineswegs verbesserte, 
indem meine Maschine immer weiter langsam wegsank. Am dieses Wegsinken nach Möglichkeit zu verzögern, 
montierte ich, so gut es mit meinem zerschossenen Bein ging, mit großer Mühsal mein Maschinengewehr 
ab und versenkte es. Wohl eine Stunde war verronnen, als ich das Geräusch eines Motors vernahm und 
gleich daraus ein deutsches Flugzeug von der Marine-Landflieger-Abteilung, das sich bis auf etwa 50 Meter 
über dem Meere niederließ, sichtete. Der Flieger warf mir zwei aufgepumpte Pneumatiks zu, von denen 
einer so günstig niederfiel, daß der Wind ihn direkt auf mich zutrieb. Der Marineflieger nahm seinen 
Kurs wieder schräg östlich zur Küste, um sofort wieder zu erscheinen. Als er darauf abermals dieselbe Rich- 
tung einschlug, sah ich in seiner Fluglinie in weiter Entfernung ganz schwach etwas Graues sich auf den 
Wellen bewegen. Es wurde mir mit aufatmender Freude klar, daß dieses meine Retter sein mußten; es 
stellte sich als ein Boot aus Westende-Bains heraus, welches unter Führung eines Kapitänleutnants,
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.