Volltext: Kämpfer an vergessenen Fronten

sind, sehr hurtig von einem Ort zum anderen zu wandern, aber leid tat es uns doch. So ging es also los. 
Nach ein paar Tagen in Riga kamen wir nach Libau. Dort erhielten wir die Bestätigung des schon vorher 
gehörten, von uns kaum geglaubten Gerüchtes: „Es geht nach Osel!" Das uns angewiesene Quartier auf 
dem Kapagdampfer „Badenia" bezogen wir zwar noch nicht, aber man sah doch mancherlei, was uns die 
Wahrheit des Gerüchtes bestätigte. Zunächst also waren wir im Quartier 17 Kilometer von Libau, dann 
wurden wir am 28. September verladen. Von da an bis zum 6. Oktober habe ich aus dem Schiff, dann 
zwei Tage an Land, dann endgültig aus dem Schiff gewohnt. — In Libau war Großbetrieb. Der Äafen 
voll mit Kleinen Kreuzern, Torpedobooten, Minensuchbooten usw. Dazwischen die 19 Transporter. Daß 
das nicht gerade die neuesten und schönsten Schiffe waren, ist wohl selbstverständlich; auch drücke ich mich 
milde aus, wenn ich sage, daß die dreijährige Liegezeit im Kamburger Äafen nicht spurlos an ihnen vor¬ 
übergegangen war. Aber der gute Wille und die frohe Erwartung des Kommenden halfen uns über manches, 
über das meiste hinweg. Auch gab es ja soviel des Neuen und Intereffanten, daß man wirklich vollaus zu 
tun hatte, um allem gerecht zu werden. Höchst spaßhaft war der dauernde Verkehr der Kriegsschiffe mittels 
Winken und Morsen, besonders nachts. Die Brüder morsen mit unheimlicher Fixigkeit. Im übrigen kommt 
es mir so vor, als ob sich die Leute der Marine dessen durchaus nicht voll bewußt sind, daß sie, denen es 
doch unvergleichlich viel besser geht als uns, bisher sehr wenig mitgemacht und — vergleichsweise — wenig 
geleistet haben. Der Ernst der Zeit scheint besonders den Mannschaften noch nicht zum Bewußtsein gekommen 
zu sein. Am 26. September wurde einmal ein Teil einer Batterie probeweise verladen. Am 10. Oktober 
war alles glücklich eingeschifft. Aus jedem Dampfer waren etwa 1500 Mann, denn zu unserer Division 
waren noch gewisse Verstärkungen gekommen. Am 2Ahr nachmittags legten wir vom Kriegshafenkai ab 
und fuhren in den Außenhafen, wo sich die ganze Transportflotte aufbaute. Das Wetter war recht 
unfreundlich, trübe und stürmisch, zuweilen Regenschauer. Dazu wurde nun das Schiff abgeblendet, so daß 
bald eine großartige „Akustik" herrschte. Es wurde viel hin und her geraten, ob und wann die Sache nun 
wohl steigen werde, ob es den Minensuchern gelungen sei, eine Fahrstraße durch die russischen Minenfelder 
zu schaffen, ob wir schnell oder langsam verklucken würden, wenn wir aufbrummten, und dergleichen mehr. 
Ich persönlich bin überzeugt, daß wir mit unserem 6930-Tonnen-Kahn recht hurtig das Zeitliche gesegnet 
hätten. Auch sind die russischen Minen so eingerichtet, daß es meist zwei Löcher gibt. Wir haben drei Tage 
später die Wirkung gesehen, leider darf ich nicht sagen, an was für einem Schiffe (zwei Löcher: das erste 
30 Quadratmeter, das zweite 5 Quadratmeter). Am nächsten Tage (11. Oktober) war die See sehr ruhig. 
Auch leuchtete die Sonne, und nur ein paar kleine Regenschauer störten. Von 10 Ahr vormittags an 
erschienen nacheinander die noch in Libau befindlichen Kriegsschiffe. 10.30 Ahr fuhr S. M. S. „König" 
an uns vorüber. Auf dem Vorschiffe eine Gruppe Offiziere, durchs Glas ist deutlich der Divisions-- 
kommandeur v. Estorff zu erkennen. 300 Meter vor uns wirft das Schiff Anker. Wir warten. 10.50 Ahr 
hört man, wie drüben der Anker gehoben wird — klick, klick, klick geht's. 11 Ahr ein kurzes Aufheulen der 
Sirene, und „König" dreht etwas und verläßt den Käsen. Die erste Gruppe (vier Schiffe), der wir 
auch angehörten, folgt. Silentium für die Mensur! — Auf „Straßburg" ist alles angetreten, als wir langsam 
vorbeifahren. Die Schiffskapelle spielt den Preußenmarsch. Die Stimmung ist allerseits glänzend und 
zuversichtlich. Aber die Fahrt ist nur sehr wenig zu sagen. Am Tage und in der Nacht war nichts Besonderes 
los. Ich finde in meinem Tagebuch nur: 12 bis 1.30 Ahr Meeresleuchten. Das ist ja schon so oft 
beschrieben, daß ich mir eine Schilderung schenke. Sonst könnte ich nur noch auf den Mief hinweisen, der 
den Luken des Mannschaftsquartiers und der Pferdeställe entströmte. Der Hinweis genügt wohl. Daß 
wir erhöhte Rumportion erhielten, war recht angenehm; so wurde Grog getrunken. Gegen 2 Ahr nachts 
etwa langten wir an der Minenzone an, die wir glatt und ohne Anfall durchfuhren. Ich habe diese Zeit 
allerdings ruhig und friedlich geschlafen. Gegen 7.30 Ahr morgens am 12. Oktober aufgestanden, angezogeil 
und an Deck gegangen. Äier hatte sich das Bild ganz kolossal verändert. In unserer Fahrtrichtung lag Land, 
die Insel Osel, unser Ziel, und rechts und links neben und hinter uns Schiffe und nochmals Schiffe oder 
Rauchfahnen. Ein Blick durchs Glas zeigte, daß es nicht nur die leichten Seestreitkräfte waren, sondern 
auch dicke Schiffe, Panzerkreuzer und Linienschiffe. Der russische Bericht über Zahl und Art der beteiligten 
Kräfte ist fast richtig. Es fehlen nur die Panzerkreuzer, und die Zahl der Torpedoboote ist zu niedrig. Die 
Schiffe waren noch mit den russischen Batterien beschäftigt. Man sah die roten Zungen aus den Rohren 
fahren, und nach geraumer Zeit grollte der Donner herüber. Denn noch waren wir weit ab. Erst um
	        
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