Volltext: Italien in sechzig Tagen

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23. Bologna. 
weise karu (besonders in der Schärfe 
der kontrastirenden Tinten); den 
Goldschmied verrathen seine glatte 
Oberfläche, klaren Umrisse, silber¬ 
nen Reflexe und ciselirtes Detail; 
schon ca. 1490 war er der geschick¬ 
teste Maler der Pogegend, und zeigt 
bei seinen ersten bedeutenden Wer¬ 
ken eine entschiedene umbrische 
Auffassungsweise, so dass seine und 
Perugino’s Bilder die empfindungs- 
reichsteu und zartesten Malereien 
jener Zeit waren (Altarbild in der 
Bentivoglio-Kapelle von S. Giacomo; 
Nr. 80. 81. 83. in der Pinakothek); 
kein Maler hat diese innige, reli¬ 
giöse Empfindung ohne alle Schwär¬ 
merei, diese kindliche Ruhe und 
Reinheit in kräftigen Formen er¬ 
reicht wie Francia. Auch die Ve- 
netianer Bellini und Cima beein¬ 
flussten ihn und durch die Floren¬ 
tiner Schule gewann er den Adel, 
die Kraft und vollendete Harmonie, 
die schöne Luftperspektive und Mo- 
dellirung. Raffaels Werke lernte 
er wahi’scheinlich durch Timoteo 
Viti kennen, der bei ihm die Gold- 
schmiedkunst erlernte. Die Fresken 
in S. Cecilia zeigen schon (1509) 
deutlich die Bekanntschaft mit Raf¬ 
fael. Bologna hat das Glück, von 
diesem Meister aller Meister selbst 
eins seiner schönsten Bilder, die 
S. Cecilia, zu besitzen. 
Durch das Heranbilden der Künst¬ 
ler an verschiedenen Schulen und 
durch die Mischung der Stile war 
der Boden des Ekleldicismm gelegt, 
den in der Epoche der innern Ver¬ 
tiefung der katholischen Kirche die 
Caracci zu einer Neugestaltung der 
Malerei befruchteten. Der durch 
die grossen Meister der Renaissance 
geschulte Naturalismus brach sich 
in dieser Zeit der leidenschaftlichen 
religiösen Erregung aufs neue Bahn. 
Der Stifter dieser jüngern Bologne- 
sischen Schule ist Lodovico Caracci 
(1585—1619), der als Lehrer einer 
von ihm gestifteten Akademie durch 
das umfassendste Studium der 
grossen Meister der Blütezeit die 
Auffassung der Natur und der An¬ 
tike zu regeln suchte. Raffael 
wurde als Meister in der Kompo¬ 
sition, Michelangelo in der Zeich¬ 
nung, Tizian und Correggio im Ko¬ 
lorit nachgeahmt. Lodovico’s bester 
Schüler, zugleich das grösste Genie 
der Schule, war sein Neffe Anni¬ 
bale Caracci (1560—1600), dagegen 
wirkte ein zweiter Neffe, Agostino 
(1558— 1601), mehr als Lehrer. Am 
eigenthümlichsten entwickelte sich 
Domenichino (Zampieri; 1591—1341j, 
der auch in der Technik und im 
naiven gesunden Natursinn seine 
Zeitgenossen über traf (Pinakothek); 
Francesco Albani (1578—1659) er¬ 
freut durch seine reizenden Putten ; 
Guido ßeni (1575—1642) entwickel e 
sich aus einem kräftigen Natura¬ 
listen (Pinakothek: Kindermord und 
Christus am Kreuz) zu einem Mei¬ 
ster formvollendeter Schönheit und 
warmer Färbung, verlor sich aber 
immer mehr in einem akademischen 
Idealismus. Auch der in kräftigsten 
leuchtenden Farben mit merkwür¬ 
diger Sprache der Schatten malende 
Guercino (Francesco Barbieri, 1590 
bis 1666) fiel dieser idealistischen 
Verweichligung anheim. 
Bologna, das fette (la grassa), d. li. in gesegneter, fruchtbarer 
Gegend gut lebende, und das gelehrte (la dotta), dessen Rechts¬ 
sprüche einst in ganz Europa als entscheidend galten, und auf 
dessen Münzen »Bologna docet« stand, dürfte auch das mittel¬ 
alterlich romantische genannt werden, da kaum irgendwo in Italien 
jene Zeit so lebendig hervortritt. Das Innere der fast kreisrunden 
(872 Kil. Umkreis) Stadt trägt ein ganz originelles Gepräge, ur¬ 
alte, weite Bogengänge, symmetrische Gallerien bildend, Schutz 
gegen Sonne und Regen und eine Spazierstätte für die Fussgänger 
bietend, alte Backsteinplätze und Renaissancebauten der vornehmen 
Familien, mächtige alte Kirchen und KollegiaLe, grossartige Plätze 
mit stolzen öffentlichen Gebäuden der vergangenen Zeit, hier und
	        
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