Volltext: Die Wölfe [42]

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Etwas Schweres wich von mir, unsichtbare Ketten. Ich 
fühlte, daß ich nochmals der alte werden konnte, wenn auch 
nie mehr so froh, so jung. Mein lang geknebelter Wille sprang 
wie ein Sturm in mir. Freiheitstrunken zog ich durch den 
rauschenden Wald den blinkenden Stadtlichtern zu. 
In der Stadt wurde ich unsicher. Die Menschen waren 
unheimlich. In allen Augen las ich, daß sie wußten, wer 
ich bin. Ich sprang in einen Wagen und nannte die Adresse 
meiner Landsleute, zur Vorsicht zehn Hausnummern weiter. 
Dem Kutscher dampfte ekler Schnapsgeruch aus seinem halb 
offenen Munde. Kleine, wässerige Alkoholaugen stierten blöde. 
Er war total betrunken und fuhr im Zickzack von einer Gosse 
zur anderen. Die Leute blieben stehen und lachten. 
Mir war nicht wohl zumute, besonders als ich merkte, 
daß der Kerl falsch fuhr. Leise und unbemerkt stieg ich aus 
und verschwand in einer Seitenstraße. Um meine Last und 
den Fuhrlohn leichter schwankte der Wagen im Zickzack weiter. 
Bald hatte ich das Haus der Damen gefunden, stand im 
Schatten eines Torbogens und schaute in erleuchtete Fenster, 
hinter denen sich Schatten bewegten. Aus der Stadt kamen 
Töne einer Musikkapelle. Mir war heiß in der kühlen Nacht. 
Ich wagte nicht zu handeln, stierte in die erleuchteten Fenster 
mit den Schatten dahinter und auf einen weißen Klingelknopf. 
Es konnte Besuch da sein. Wie konnte ich um zehn Uhr 
nachts klingeln? All das fuhr mir durch den Kopf. Ich hatte 
doch nicht mehr die alte Kurage und schlich tiefer in die 
Stadt, um im Friseurladen bei Nr. 36 mein Heil zu ver 
suchen. Mit dem mir eigenen Orientierungssinn gelangte 
ich durch unbekannte Straße» auf den Kathedralenplatz, in 
dessen Nähe Nr. 36 wohnte. 
Ich prallte in das Dunkel der Straße zurück. Vor mir 
war ein Märchenland. Bunte Menschen drängten sich
	        
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