Volltext: Die Wölfe [42]

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sprechen können, können die Damen doch lesen. Das ist zwar 
einseitig, aber immerhin besser als nichts. Umsonst sollen sie 
nicht den weiten Weg machen. 
Ich richte einen Meldedienst ein. Der Herr, der am letzten Fen 
ster im großen Zimmer wohnt, kann die Straße nach der Stadt 
zu übersehen, ein anderer, am ersten der vier Fenster, übersieht 
einen Teil des Weges nach dem Walde. Wir legen noch Hand 
spiegel in die Fenster und vergrößern so das Gesichtsfeld. 
Einige Male ist blinder Alarm, weil ein Herr die Damen nicht 
kennt. Eines Tages kommt „Barbarossa" angestürzt. Die 
Damen sind eben vorbeigegangen. Ich stelle mich ans erste 
Fenster. Die Damen erscheinen im Spiegel, und nun drücke 
ich einen großen weißen Bogen an die Scheiben. Ob sie die 
riesigen, schwarzen Buchstaben lesen können? „Sonntag Kirche, 
Geld Dorpat." Sie gehen langsam vorbei, nicken und lachen. 
Am Sonntag gelingt es mir wieder, einen Posten vor die 
verschlossene Kirchentür zu schleppen. Unscheinbar, nur für 
mich erkennbar, grau wie der Stein, liegt da ein Brief auf der 
obersten Stufe, den ich mit einem anderen vertausche. 
So geht es noch einige Sonntage, das Spiel mit den 
Kirchenstufen und das am Fenster. Immer mehr Fäden be 
komme ich in die Hand, das allgemeine Bild einer Flucht 
nimmt schärfere Umrisse an. Geld von meinen Verwandten 
läuft bei den Damen ein. Wir bekommen eine andere Wache. 
Der Unteroffizier ist anständig und erlaubt uns bei dem schö 
nen Wetter, vor dem Hoftor zu stehen. Wenn die Damen 
langsam vorbeigehen, erzähle ich einem Kameraden laut, 
was ich mitteilen möchte. Die Damen sprechen natürlich nicht: 
Russisch versteht der Posten, und Deutsch würde auffallen. 
Das nächste Mal muß ich unbedingt einen'Brief abgeben, 
mit den letzten Fragen. Aber wie? Den Damen das graue 
Papier vor die Füße werfen, wenn der Posten nicht hinsieht?
	        
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