Volltext: Die Wölfe [42]

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Ich sage der Wache, daß wir zu früh gekommen sind und 
ich im Pastorhaus anfragen will, wann der Gottesdienst be 
ginnt. Die Kerle gehen auf meinen Vorschlag ein. Während 
wir um den Kirchgarten biegen, kommt uns eine der Damen 
entgegen mit zwei Kindern. .Die Kinder sind-eine gute Deckung. 
Famos, heute habe ich Dusel. 
Die Posten find wie vernagelt, mit Blindheit geschlagen. 
Sie bleiben ruhig an der Gartenpforte stehen und lassen mich 
allein. Ich gehe um das Haus dem Kücheneingang zu. Hier 
treffe ich ein Dienstmädchen. Ehe ich noch den Mund öffne, 
sagt sie: „Göttchen, Herr Volck, wo kommen Sie her?" 
Wa—was? Äfft mich ein Spuk? Mitten in Sibirien nennt 
mich ein Dienstmädchen beim Namen. Ich muß ein sehr dum 
mes Gesicht gemacht haben. Sie lacht. — „Zum Teufel, kennen 
Sie mich denn?" „Natürlich," sagt sie, „ich war doch Kinder 
mädchen bei Ihnen in Dorpat, ich bin doch die Mila." Donner 
wetter, hat die ein Gedächtnis! Langsam kommt mir eine blasse 
Erinnerung. Richtig, ich hatte ja mal eine Esthin als Kindermäd 
chen. Die Mila—natürlich. Damals war ich acht Jahre alt. 
Dann erzählte sie, wie es in Dorpat aussieht, der alten Hei 
mat. Sie ist lange nicht dagewesen, fährt aber übermorgen 
hin, hat schon Paß und Billett. Famos, famos — schnurriger 
Tag heute. Ich trage ihr an verschiedene Adressen Grüße auf. 
„Man soll alles tun, was ich schreibe, verstanden ?" „Gut, gut, 
Herr Volck, werde alles ausrichten. Wie groß Sie geworden 
sind und deutscher Offizier." „Jawohl, und Flieger." „Hu," 
sagt sie und sieht mich groß an. So plaudernd steigen wir die 
Treppe hinauf in die Küche. 
Plötzlich geht Meine Landsmännin hastig an mir vorbei, 
drückt mir ein Päckchen in die Hand und steigt die Treppe 
hinunter. Ich kann ihr gerade noch zurufen: „Auf der ober 
sten Kirchenstufe liegt ein Brief in grauem Papier." Dann ist
	        
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