Volltext: Die Wölfe [42]

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Das Lied ist aus. Ich klappe das Gesangbuch zu. In ihm 
liegt ein ausführlicher Brief über meine Wuchtpläne, mit 
Fragen über Pässe, Bahnen und anderes. 
Während des nächsten Chorales unterhalten wir uns schon 
dreister. Plötzlich zittert das Buch. Ich schaue auf. Meine 
Landsmännin ist etwas bleich. Über ihre Schulter beugt sich 
ein russischer Offizier. Ich spüre die Stille meines Herzens, 
das ausgesetzt hat. Ein krampfhaftes Beherrschen, dann singe 
ich ruhig weiter. Der Offizier hat nichts gemerkt. 
Zu Hause lese ich den Brief. In ihm steht viel von Vorsicht 
— noch wissen sie ja gar nicht, daß ich fliehen will — und daß 
vom nächsten Sonntag an bis zum Herbst die Kirche geschlossen 
ist. Verdammt, ich halte ja erst einige Fäden in der Hand, 
die Hauptsache soll erst losgehen! Die Faden werden doch nicht 
jetzt abreißen, jetzt, wo die Sache in Gang kommt? 
Einmal kann ich noch handeln, die Russen wissen an 
scheinend nichts von der Unterbrechung des Gottesdienstes. 
Am Sonntag überrede ich den Wachthabenden, mich und noch 
einen Herrn in den Gottesdienst zu lassen. 
Vor der geschlossenen Kirchentür erklären die Soldaten, 
daß wir umkehren müssen. Ich rüttle an der Tür und lasse 
einen Handschuh fallen. Beim.Aufheben lege ich einen klein 
gefalteten Brief in grauem Papier auf die oberste Stufe, da 
neben ein Fünfkopekenstück., Das Papier hebt stch kaum von 
dem grauen Sandstein ab. Nur wer weiß, daß da ein Brief 
liegt, kann ihn finden oder der Zufall. Mit Zufällen muß 
man rechnen. Der Brief hat weder Adresse noch Unterschrift, 
das Geldstück hat seinen besonderen Zweck. Es ist mir aufge 
fallen, daß fromme Leute Almosen vor die Kirchentür legen. 
Warum ich nicht ? Ein anderes Goldstück lag schon da. So, nun 
gilt es, die Posten hinzuhalten, bis eine der Damen kommt. 
Ich habe das sichere Gefühl, daß jemand kommen wird.
	        
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