Volltext: Die Wölfe [42]

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krampten viele Schritte einen gleichmäßigen, hohlen Trauertakt. 
Der Doktor holte mich auf den Balkon und erzählte vom be- 
rühmten Husseinftste, dem persischen Religionsfest, das mit 
Geißelung anfängt und mit dlutige» Selbstmetzeleien endet. 
Die Tritte dröhnten näher, der Gesang lauter. Grüne, 
flatternde Fahnen bogen um die Straßenecke und zogen viele, 
in lange, schwarze Gewänder gehüllte Männer nach sich. In 
den Rücken der schwarzen Gewänder waren viereckige Löcher 
geschnitten, aus denen weißes Fleisch schimmerte. „Ali, Ali" 
sangen die Warmer, kettenbehangene Stöcke klirrten über den 
Köpfen und hieben klatschend rotes Blut aus de» schwarz- 
umrahmten Rückenfenstern. 
„Ali, Ali" — klatsch, klatsch, klirrten die Ketten zum gleich 
mäßigen Stampfen der Füße. Unter blassen Stirnen hockte 
Religionswut in flackernden Augen. 
„Ali, Ali" — klatsch, klatsch — Allah, der Ewig-Gütige, 
der Allweise sah nieder auf religionstolle Menschen. 
Dreißig Tage schritt er dumpf durch die Gassen und geißelte 
seine Frommen. Dann kam der große Sonntag mit lachen 
der Sonne und Herbstjubel. 
Ich stand mit dem Oberstleutnant, von der Sonne geblendet, 
auf der breiten Moscheentreppe unter Hunderten schweigeu- 
der Gläubigen. Die flachen Dächer der umliegenden Moham- 
medanerhLuser waren schwarz von gaffenden Menschen. Vor 
der Moschee im Kreise der hockenden Gläubigen heulte ein Der 
wisch die Tragödie Husseins, Taschentücher flatterten an dis 
Augen, ein Stöhnen ging durch die Menge und in hellem 
Weinen über den Platz. Ein Mann weint, wen» ihn nie 
mand sieht. Hier heulten Hunderte, weil vor Urzeiten em 
HMger ermordet wurde. „Ali, Ali" — klatsch, klatsch — 
die Geißler zogen auf, griffen sich an die Hände und wie 
belte« einen irrsinnigen Tanz.
	        
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