Volltext: Die Wölfe [42]

Sekunden nur, dann sprang jäh der Tag ins Leben mit pur 
purner Sommersonne, wie sie nur der Süden kennt. 
Vor uns, ganz in Sonnengold gebadet, türmte sich ein 
schwarzblaues Gebirge, von gewaltigen Klüften zerrissen. Aus 
schwarzen Wäldern wuchs ein Meer von Felsen, grau, gigan- 
tisch, drohend, rückwärts übertürmt von glitzernden Eisblöcken 
und breiten Schneehalden — der hohe Kaukasus, in dem nur 
Gemsen steigen und Murmeltiere pfeifen. Wortlos, erbärmlich 
's- klein diesem Naturwerk gegenüber, schauten wir auf die wach- 
geküßten Bergkolosse. Ich hatte einen sonderbaren Gedanken: 
Dort oben fliegen mit donnerndem Motor, den weißen, 
stolzen Schneehäuptern ein Lied singen von Menschenkönnen I 
Der Vetter in R., der uns vor einigen Tagen besucht hakte, 
empfängt uns in voller kaukasischer Uniform mit russischen Oft 
fr fiziersachselstücken, ein Georgskreuz am schwarz-gelben Bande 
auf der Brust. Er sieht kriegerisch aus, und man kann ihm 
glauben, daß er 1905/06 während der Revolution fünf Ko 
saken erschossen hat, auf tausend Schritt Entfernung mitten 
in die Stirn. 
Unsere staubigen Stiefel warten vor der Tür, während 
wir auf schönen Teppichen sitzen und mit abgemessenen 
Worten langsam einen Weg in die Zukunft bahnen. 
Alles ist besprochen, die Ausfüllung der Pässe, die Bahn 
fahrt als verkleidete russische Offiziere, als die wir noch heute 
nachmittag in Szene treten sollen. 
„ Der Vetter geht hinaus, um sich noch mit jemandem zu 
besprechen. Wohlig dehnen wir unsere ausgelangweilten 
Glieder im Vorgefühl neuen Sichregens. Dem Doktor spukt 
noch etwas Pessimismus im nachdenklichen Schädel. 
* ' Eine Stunde geht, die zweite schleicht, die dritte will nicht 
sterben. Endlich kommt der Vetter mit einem Gesicht, das 
alles Planen, die säuglingsjunge Hoffnung in Scherben schlägt. 
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