Sekunden nur, dann sprang jäh der Tag ins Leben mit pur
purner Sommersonne, wie sie nur der Süden kennt.
Vor uns, ganz in Sonnengold gebadet, türmte sich ein
schwarzblaues Gebirge, von gewaltigen Klüften zerrissen. Aus
schwarzen Wäldern wuchs ein Meer von Felsen, grau, gigan-
tisch, drohend, rückwärts übertürmt von glitzernden Eisblöcken
und breiten Schneehalden — der hohe Kaukasus, in dem nur
Gemsen steigen und Murmeltiere pfeifen. Wortlos, erbärmlich
's- klein diesem Naturwerk gegenüber, schauten wir auf die wach-
geküßten Bergkolosse. Ich hatte einen sonderbaren Gedanken:
Dort oben fliegen mit donnerndem Motor, den weißen,
stolzen Schneehäuptern ein Lied singen von Menschenkönnen I
Der Vetter in R., der uns vor einigen Tagen besucht hakte,
empfängt uns in voller kaukasischer Uniform mit russischen Oft
fr fiziersachselstücken, ein Georgskreuz am schwarz-gelben Bande
auf der Brust. Er sieht kriegerisch aus, und man kann ihm
glauben, daß er 1905/06 während der Revolution fünf Ko
saken erschossen hat, auf tausend Schritt Entfernung mitten
in die Stirn.
Unsere staubigen Stiefel warten vor der Tür, während
wir auf schönen Teppichen sitzen und mit abgemessenen
Worten langsam einen Weg in die Zukunft bahnen.
Alles ist besprochen, die Ausfüllung der Pässe, die Bahn
fahrt als verkleidete russische Offiziere, als die wir noch heute
nachmittag in Szene treten sollen.
„ Der Vetter geht hinaus, um sich noch mit jemandem zu
besprechen. Wohlig dehnen wir unsere ausgelangweilten
Glieder im Vorgefühl neuen Sichregens. Dem Doktor spukt
noch etwas Pessimismus im nachdenklichen Schädel.
* ' Eine Stunde geht, die zweite schleicht, die dritte will nicht
sterben. Endlich kommt der Vetter mit einem Gesicht, das
alles Planen, die säuglingsjunge Hoffnung in Scherben schlägt.
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