Volltext: Die Wölfe [42]

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machte, fuhr sich der Greis bedächtig über die runzlige 
Stirn und kramte die fünfundzwanzigjährigen Kriegszüge 
Schamils aus seinem altersschwachen Kopf. Er war ge-- 
p kommen, um sich mit den modernen Kriegern zu besprechen, 
Staub und Sonnenbrand hinderten den Hundertjährigen 
nicht. Stundenlang klapperte sein zahnloser Mund auf und 
zu. Strecken, die man sich heute scheut mit der Bahn zurück- 
r zulegen, hatte dieser Mann durchschritten, raubend, kämpfend, 
seinen Herrn verteidigend. Als eine Verräterkugel Schamil 
niederstreckte, war er durch die Wüsten und Berge Persiens 
nach Mekka gepilgert und kam als ein Heiliger mit grünem 
Turbantuch wieder. Als wir alle seine Geschichten kannten 
und das Purpurkleid des Greises immer wieder vor unsererr 
r Fenstern auftauchte, versteckten wir uns hinter den Sonnen 
blumen. Eine Weile wartete er, nahm dann seinen stählernen 
Stock, um den sich einst ein Regenschirm gebreitet hatte, und 
wanderte traurig nach Hause. 
In den Mittagstunden, wenn nur Fliegensummen in heißer, 
müder Luft wachte, las ich in einem französischen Buch, das 
Jsmael aus Amerika mitgebracht hatte. Pariser Leben, tolles 
Lachen und Genießen raunte in den Zeilen, und draußen vor 
dem Fenster schlief der Platz, an den Allah uns bannte. Wir 
verloren die Zeitrechnung. Es gab keine Zukunft mehr, nur 
Gegenwart, die langsam tickte — tick — tack — wie eine faule 
- Uhr, die jeden Augenblick stehenbleiben konnte. 
Jsmael blieb öfter halbe Tage fort. Wir hatten den Eindruck, 
daß er sich mit unserer Weiterreise beschäftigte. Er machte 
nachdenkliche und unruhige Augen. Vielleicht hatte er uns 
seine Hilfe zu schnell zugesagt und scheute sich auszuweichen, 
denn ein Mohammedaner bricht nie sein Wort. i 
Eines Abends hatten wir des Rätsels Lösung, die der Doktor 
mit seiner feinen Nase schon lange gewittert hatte. Hinter allem
	        
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