200
k-il
und Kissen auf dem Boden. Tee und Tabak wurden gebracht.
„Oh, oh," sagte der Alte, „Albast sehr froh, sehr froh, Ger
manen."
Ale-ast war ein rührender Kauz. Obgleich er nur fünf
Worte Russisch konnte, unterhielten wir uns glänzend. Diese
fünf Worte waren: Gut, froh, Brot, Kanone und Zar. Alles
bei ihm hieß Kanone und Zar. Der Zar war der Inbegriff
von Macht, Ordnung, Gehorsam. „Nun ist der Zar weg,
und Rußland ist kaputt," machte er uns verständlich. Ka
none bedeutete für ihn Raub, Krieg, Stärke, Gewandtheit,
Klugheit — wir waren Kanonen. O ja, natürlich: deutsche
Kanonen.
Am nächsten Tage kam Jsmael aus dem Nachbardorf«
Jsmael war der angesehenste Jngusch, adlig, aber nicht wie
bei uns „von" oder Baron, sondern weil er aus der ältesten
Familie stammte, über mehrere hundert Reiter verfügte und
einen klugen Kopf hatte. Außerdem hatte er einen Russen
ermordet, die Revolution 1905/06 mitgemacht, war aus dem
Zuchthaus ausgebrochen und nach Amerika geflohen, von wo
er vor drei Jahren zurückkehrte.
Jsmael hatte seine festliche Tscherkeßka an, uns zu Ehren,
und trug sogar einen langen, breiten Dolch. Lachend sagte
er? „Sonst trage ich keinen Dolch, meinen Eichenstock kennen
und fürchten alle, und niemand wird wagen mich anzufassen."
Vorsichtig horchte er uns aus, ob wir auch nicht verkappte
russische Spions seien, die sich unter dem Deckmantel als
kriegsgefangene Deutsche hier eingeschlichen. Er beruhigte
sich bald und kam dann zur Sache: „Vielleicht begleite ich
Sie selbst, am besten über die grusinische Heerstraße nach
Tiflis und über Batum—Trapezunt durch die russische Front
oder über Erzerum. Ich fahre jetzt, um mit dem Jnguschenrat
zu sprechen und alles vorzubereiten, übermorgen bin ich zurück."
SC
r
r
f