Volltext: Die Wölfe [42]

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Der Kutscher, -er in diesem Teppich des Kaukasus auft 
gewachsen war und sich nie in die unheimlichen Berge ge 
traut hatte, kramte Märchen aus seinem alten Kopf, von 
Menschen, die sich mit Felsblücken bekämpften. Eine sonder 
bare Mischung von Wahrheit und Dichtung flüsterte er in 
die heiße Luft — vom Krieger aller Krieger: dem Tschetschenen» 
Schannl, der fünfundzwanzig Jahre den Russe» getrotzt, bis 
sie ihn mit Kanonen aus seinen Felsennestern räucherten. 
Tausendundeine Nacht reichen nicht für die Märchen, dis 
der Kaukasus birgt. 
Die Felder sehen gepflegter aus, neben den minder holpe 
rigen Wegen stehen Weinberge. Wir nähern uns der deutschen 
Kolonie, die mit roten Dächern und weißen Wänden durch 
sommerverschlafene Baumkronen leuchtet. Schnurgerade die 
Dorfstraße, abgezirkelte kleine Ziergärten vor den Häusern, 
reu blanke Scheiben deutsches Wesen künden. Sonntags- 
che lastet fast beängstigend über der ausgestorbeneu Dorf 
straße. Ein kleiner, blauäugiger Blondkopf führt mich zu 
dem mir empfohlenen Kolonisten. 
Aus breitgeöffnete» Stalltüren kommt zorniges Muhen 
rgengeplagter Kühe. Der große Hof, die weitläufigen 
Steingebäude mit grünen Fensterläden sind so sauber, so 
deutsch. Das Herz wird weit, und man vergißt Rußland 
mit all dem Schmutz, den geduckten kleinen Holzbuden. 
Mit etwas Angst, die sich aber bald legt, werbe ich auf 
genommen. Die Leute haben eine biedere Herzlichkeit und 
sind bis in die Knochen deutsch in ihrer Gesinnung, obgleich 
Deutschland ihnen nur in schwacher Erinnerung ist aus Be 
suchen in Kindertagen. Bauernwohlstand, wie ihn zähe 
Arbeit schafft, blüht hier. Die Russen fürchtend, halten sie 
gute Nachbarschaft mit den wilden Bergstämmen, bei denen 
sie geachtet und beliebt sind. 
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