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Befreit und verraten
/Bin Wisch vom Generalgouverneur flatterte in mein
^Schicksal, erhofft und doch unerwartet: Zwischen
stadium der Freiheit, Bewegungsfreiheit im Mannschafts-
lager. Eine österreichische Fürstin vom Roten Kreuz hatte
vor fünf Tagen in meiner Zelle geschauert, über meine vonr
Ungeziefer zerfressenen Arme geweint und inich dem Ver
kommen aus den Armen gerissen, ehe dreißiggrädiger Frost
durch die gebrochenen Scheiben mich für immer auf die
Wanzenpritsche streckte.
Mein Firmenschild verschwand über dem Guckloch, die Tür
ging auf.
Etwas in mir wollte springen, aber ich hielt die Freude
fest, mit beiden Händen. Sie hüpfte sonst weg. Langsam,
ganz langsam freute ich mich. Nur nicht überfreuen, und
dann'Dieder gräßliche, dumpfe Leere.
Durch das Guckloch streckte ich meine Hand in die Schreckens
kammer. Am» Händedruck erkannte ich die einzelnen: den
Kosakenmörder, Vobig, Iwan. Alle kamen sie, auch die
Niedergekämpften. An ihren Händen fühlte ich, was sie dach
ten: kein Neid in diesem Händedruck.
Draußen pusteten sibirische Winterlungen Wind. Hi, hi,
lachte das Scheusal in den nördlichen Urwäldern und jagte
gellende Sauseteufel über die Baracken, die geduckt im Schnee
standen. Ich nahm die Pelzmütze ab und ließ mir lange die
Haare zausen.
Ein riesiges Holzungetüm mit frierenden Türmchen —
ein Ausstellungsgebäude oder so etwas — umtanzten
stiebende Schneemassen.
Der Frost krachte in den vereisten Brettern.