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Moos vor einem Votiv-Bilde, welches an einem mäch
tigen Eichenstamme >m Schloßgarten auf der S eisen -
bürg aufgerichtet war.
Wie das sanfte Blättersäuseln, das jedwedem
hereinbrechenden Gewittersturme nahe vorauszugehen
pflegt, so tönten der Jungfrau leise hingelispelte Ge
betstrophen in das dumpfe Geräusch der Zurüstungen
der Belagerer zum nächsten Sturm auf die Veste.
Tief zusammengesunken hüllte die fromme Beterin
ihr Gesicht in beide Hände, große Thränenperlen ent
rollten ihren Augen; ein leichtes Lüftchen spielte neckisch
mit ihren goldenen Locken und ringelte sie lose bald
hierhin bald dorthin um das schöne gebeugte Haupt.
Gleich einem trauernden Cherub lag sie da, von
himmlischer Verklärung umhaucht! —
Da rauschte es plötzlich in dem Buschwerke hinter
ihr; ein hoher junger Mann trat aus dem Dickicht.
Ueberrascht hemmte er seine Schritte, als er
die Holde vor sich erblickte — hohe Nöthe überzog
sein Antlitz.
Der junge Mann konnte nicht lange aus den Jüng
lingsjahren getreten sein, und mochte nur wenige Jahre
mehr als Wilpurgis zählen.
Dem scharfen Auge des Beobachters konnte auch
einige Aehnlichkeit — wenn auch entfernte — doch
so, was man sagt, Familienähnlichkeit zwischen ihm
und der jungen Gräfin nicht entgehen.
Eben so konnte man nicht übersehen, daß der
junge Mann früh und viel, ja stürmisch gelebt haben
mußte. Die tiefliegenden, glanzlosen Augen zeigten
dies deutlich, der Ausdruck seiner Gesichtszüge war
überhaupt kein freundlicher, sie trugen klar ausgeprägt
Rauhheit und Grausamkeit zur Schau. — Die buschi-
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