Volltext: Versuch einer Vereinfachung der Musikzeichen und einer kurzen Geschichte der Musik.

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leihen. Hinsichtlich der Bratsche oder Altgeige hält es Schwarzenbrunner für unrecht und zweckwidrig, dass 
dieses Instrument in der Regel so sehr vernachlässigt und in den meisten Orchestern gewöhnlich am schwächsten 
und schlechtesten besetzt wird. Bei der Bassgeige erklärt es der Verfasser für unpassend, dieses Instrument als 
concertirend zu gebrauchen, welche Narrheit sich zum Glück nicht weit verbreitet habe. Am längsten verweilt 
Schwarzenbrunner bei der Orgel, zeigt die Einrichtung, den Ursprung, die Erfindung und die Verbesserung derselben. 
Abermals leer geblieben und ohne Ueberschrift sind S. 357 — 370. 
Den Schluss des reichhaltigen Manuscriptes bildet eine kurze Abhandlung mit der Aufschrift: „Einige 
Begriffe vom Generalbasse.“ S. 371—414. Bei der Erklärung des Begriffes „Generalbass“ hält sich 
Schwarzenbrunner an Sulzer’s Theorie und Kirnberger, wobei er auch die Unvollkommenheit der jezt üblichen 
Bezifferung nicht unerwähnt lässt, welche eine enstaunliche Menge von Regeln nothwendig mache, die auch bei 
bezifferten Bässen noch in Acht zu nehmen seien. Klar, einfach und bestimmt werden die Begriffe Consonanz 
und Dissonanz erläutert und ihre Eigenschaften angegeben. Die Lehre von den Accorden ist aus „Kirnberger’s 
reiner Satz“ entnommen und hiebei gibt der Verfasser nach seiner Methode eine vollständige Generalbass-Bezif¬ 
ferung. Auffallend ist es, dass Schwarzenbrunner, obwohl er in seinem oben angeführten Vorschläge der zweiten 
Bezeichnungsart der Accorde den Vorzug gibt, doch hier für den Generalbass sich der ersten Bezeichnungsart 
bedient, wo jede Bassnote im Verhältniss gegen ihre accordirenden Noten gleichsam als Einheit betrachtet wird.1) 
Die Einrichtung ist folgende: Es wird eine Linie gezogen für die Ziffern der Bassnoten und darüber eine zweite 
Linie für die Ziffern der accordirenden Noten. Ein vorgesetztes Acc deutet an, dass die auf der gezogenen Accord- 
linie geschriebenen Ziffern Töne der eingestrichenen Octave sind, so lange nicht ein ausdrückliches Querstrichel¬ 
chen unter oder über einer Ziffer Töne in der kleinen oder zweigestrichenen Octave verlangt. Ebenso zeigt das 
umgekehrte c vor den Bassnoten (nämlich an, dass die auf der gezogenen Basslinie vorkommenden Ziffern 
Töne in der kleinen Octave sind, so lange nicht auch hier ein Querstrichelchen über oder unter einer Ziffer eine 
Erhöhung oder Vertiefung der folgenden Töne um eine Octave verlangt. Schwarzenbrunner nennt diese Generalbass- 
Bezifferung eine vollständige, zum Unterschiede von der gewöhnlichen unvollständigen, wo z. B. der Sexten- 
Accord bloss mit 6 angezeigt wird. Als eine schätzbare Beigabe sind hier zu bezeichnen 4 Tabellen, in welchen 
alle consonirenden und dissonirenden Accorde zusammengestellt sich finden. Im Anhänge wird der einfache und 
doppelte Contrapunct noch kurz besprochen. 
Schliesslich können wir nicht umhin, unser Bedauern auszusprechen, dass es dem allzu früh Dahinge¬ 
gangenen nicht gegönnt war, die schon genannten und zuletzt noch bis 446 paginirten, aber leer gebliebenen 
Blätter auszufüllen. Uebrigens dürfte aus dem angegebenen Inhalte des musikalischen Manuscriptes schon zur 
Genüge erhellen, welche Fülle interessanten Stoffes dasselbe in sich schliesse. Die ganze Handschrift*liefert 
einen sprechenden Beweis von der nie rastenden Thätigkeit und den eindringenden akustischen Studien des 
Verfassers. Gründlichkeit und Tiefe der Forschung, Klarheit und anspruchslose Einfachheit der Darstellung 
charakterisiren die einzelnen Abhandlungen. Staunenswerth erscheint dabei Schwarzenbrunner's seltenes Geschick, 
das, was sich in betreffenden literarischen Werken zerstreut findet, selbstständig zu bearbeiten, in gedrängter und 
doch erschöpfender Kürze zusammenzufassen und mit vollständiger Beherrschung des Stoffes in anziehender und 
belehrender Weise darzustellen. Als sinnige Behelfe, das Dargestellte dem Leser übersichtlich zur Anschauung 
zu bringen, verdienen die Tabellen bezeichnet zu werden, deren im Ganzen nicht weniger als 24 Vorkommen. 
Was insbesondere die von Schwarzenbrunner neu vorgeschlagenen Tonzeichen betrifft, so überlassen wir die 
kritische Beurtheilung derselben, so wie die kunstverständige Entscheidung über ihre praktische Anwendbarkeit 
competenteren Fachmännern: unsere Sache war es nur, durch diese Mittheilung das wissenschaftliche Streben 
und selbstständige Forschen dieses so geistvollen, so vielseitig gebildeten und rastlos thätigen Mannes auch in 
dieser Richtung in’s wohlverdiente Licht zu setzen und damit einen Act brüderlicher Pietät zu üben. 
') Diess dürfte seine natürliche Erklärung in dem Umstande finden, dass Schwarzenbrunner nach einer, wie uns scheint, 
späterhin vorgenommenen Correctur sich für die zweite Bezeichnungsart entschied, und es unterliess, seine Generalbass-Bezifferung 
darnach umzuändern. 
-©tXsxao-
	        
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