Volltext: Lisli

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Till. 
So schwanden Wochen, so schwanden Monde 
schnell und still dahin. Elisens Mutter half auch mit 
arbeiten an der Ausstattung, die nun Beider Hände 
vollauf beschäftigte, da kam denn ein gräuliches Ge 
spenst ans unsere Erde herabgeschritten, welches mit 
unsäglicher Gier seine Opfer verschlang — ich meine 
die Cholera. 
Auch Elisens Mutter wurde von ihr heimgesucht, 
und was halfen Thränen, was Halfen Bitten hinauf 
durch die Wolken gesendet, zwei Tage darauf stand 
händeringend Elise als eine Doppelwaise am Sarge 
ihrer guten Mutter. 
Der Sarg ward in die Grube gesenkt, ein kleiner 
Hügel wölbte sich über die Hülle ihrer treuesten Freundin 
der Erde, und dort kniete die trauernde Waise, die 
Niemanden auf dieser Welt mehr hatte, als Franz. 
Elisens Thränen stoffen reichlich, und war es 
der Geist ihrer Mutter, der ober ihr schwebte, sie 
ging getröstet mit stiller Trauer im Herzen nach Hause 
und fand so viel Ruhe wieder, nur Franz den herben 
Schicksalsschlag mittheilen zu können. 
Wie sehnlich erwartete die trostlose Waise ein 
Schreiben. Ein Tag nach dem anderen verfloß, und 
kein tröstender Brief wollte komnien. So nahte denn 
ihrer unvergeßlichen Mutter Geburtstag, welchen Elise 
in aller Stille mit einer Centnerlast voll schmerzlicher 
Gefühle in der Brust ganz alleine feiern- wollte. Der 
Mutter Bild ward geschmückt mit Blumen, die der 
scheidende Herbst noch dargeboten, und leise betend lag 
sie auf ihren Knieen in frommer Andacht hinge 
gossen.
	        
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