Volltext: Religion und Rechtspflege

fähigkeit u. dgl. sind, von welcher Partei sie ausgehen, Pflichtver 
letzungen, die manchmal als äußerstes Mittel nothwendig sein Mögen, 
aber ja nicht vom Rechtsstandpunkte ans gerechtfertigt werden sollten. 
So reagirt auch in Folge eines solchen Begriffes von Freiheit 
und Selbstständigkeit des Individuums die Mehrzahl gegen jeden Zwang 
im Rechtsverkehre — ich erinnere nur an den, allerdings auch theil- 
weise ans weniger edleren Motiven zu erklärenden heftigen Kanipf 
im österr. Abgeordnctenhause gegen den Legälisirnngszwang. 
Im Verkehre des Lebens selbst kennt jeder nur sein Recht, das 
er geltend macht, und sehr häufig nicht die Pflicht, die er, wenn es 
leicht geht, verweigert oder wenigstens erst gezwungen erfüllt. 
Diese Richtung bringt ganz enorme Schwierigkeiten für die 
Regierungen wie für den Einzelnen, und es ist die Frage wohl be 
rechtigt, ob nicht für die Zukunft etwas mehr nach der Seite der 
Sicherung der Pflichterfüllung die Gesetzgebung sich neigen sollte. 
Diese Frage wird aber um so berechtigter gestellt, als eine 
Thatsache für jeden Einsichtigen feststehen muß, daß durch den anti 
religiösen Zug unserer Zeit für die Mehrheit die bisherige sittliche 
Grundlage ihrer Handlungen mehr oder minder verloren geht. 
Es ist diese Thatsache beklagenswertst, aber unabänderlich — 
theils die Gegner, theils die eigenen Hüter und Wächter und diese 
mehr als jene haben die Religionen im Werthe herabgesetzt und ihren 
Einfluß vernichtet. 
Unbestreitbar ist ein Volk, welches wie in guter alter Zeit gläubig 
an den Geboten Gottes hängt, leichter in Zucht und Zaum zu halten 
als ein solches, das, nicht von sittlichen Grundsätzen geleitet, kein 
anderes Motiv seiner Handlungen als das eigene Interesse und keinen 
anderen Zwang als den des Staates und seiner Organe achtet. 
Wir werden uns aber darauf einrichten müssen, ohne Gott zu 
regieren. 
Wenn auch gegenwärtig unleugbar im Großen und Ganzen die 
Moral eine bessere geworden, Sitte und Zucht im Allgemeinen mehr 
herrscht als früher, die Zahl der Unrechtssälle (im civilrechtlichen wie 
strafrechtlichen Sinne) mit Rücksicht ans die großartigen Bewegungen 
und Reibungen des Verkehres, der Verbesserung der Hilfsmittel zur 
Begehung der Verbrechen, Erhöhung der geistigen Bildung, die vor 
herrschend den Kopf auf Kosten des Herzens^ begünstigt, relativ ge
	        
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