Volltext: Festschrift zur Erinnerung an die feierliche Einweihung des israelitischen Tempels in Linz des ersten in Oberösterreich

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Herr Oberkantor Professor Sulzer antwortete gerührt in sehr 
herzlichen Worten. Den Schluß bildete ein Toast auf die Frauen 
der Linzer Kultusgemeinde „gesprochen von Sr. Ehrwürden Herrn 
Dr. Ad. Kurrein. 
Meine hochverehrten Damen und Herren! 
Wer immer auf das Wol eines Menschen oder einer ganzen 
Klasse der Gesellschaft sein Glas erhebt, der wird nicht so leicht unbe— 
dingte Nachähmer finden, denn keine Größe auf Erden wird unbedingt 
anerkaunt, kein Verdienst ungeschmälert erhoben, Alles hat seine Gegner, 
und Jedes findet seine Kritik; die schwierigste Aufgabe jedes Toastirenden 
ist daher die Einleitung, durch welche der Zuhörer nach den Gesetzen 
der Rhetorik geneigt und empfänglich gemacht werden soll. Mir aber 
ist ein besseres Theil beschieden worden, und ich weiß, wenn ich verrate, 
daß meine Aufmerksamkeit und mein Wort unseren lieben Linzerinnen 
gilt, so werden alsbald alle Herren und alle Anwesenden, selbst wenn 
heute zum zweiten Male über die Frauen gesprochen wird, ohne jegliche 
Einleitung dabei sein. Von Seiten der Männer habe ich also keinen 
Widerspruch zu fürchten, aber da bei uns Juden der Grundsatz nicht 
gilt: „Mulier in edelesia taceat'', „die Frauen schweigen in der 
Kirche“, so muß ich besorgen, daß die Damen selber, auch dem Rabbiner 
gegenüber, feierlichen Protest erheben, wenn ich sie hoch leben lassen 
will, in der irrigen Meinung, daß ich sie mit dem ohnehin zu hohen 
Empore des Tempels noch einige Fuß höher setzen wollte. Ich kon— 
statire also à priori, daß meine Erhöhung nichts mit der Tempelgallerie, 
und nichts mit dem Tempel, aber doch etwas mit. demselben zu thun 
hat. Letzteres ist auch der Grund, weshalb mir die Ehre zu Theil 
wurde, unsere lieben Damen alle lehen lassen zu dürfen. 
Die Frauen waren eigentlich immer das Lieblingsthema selbst 
der ältesten Rabbiner, und der Talmud spricht sich in der ritterlichsten 
Weise über die Frauen aus, ja er macht den lieben Gott sogar für 
Eva's Schuld verantwortlich, weil der liebe Gott, ungewohnt, mit 
Damen umzugehen, die Galanterie verabsäumte, der Frau zuerst sein 
Verbot mitzutheilen. Dieser Lapsus ist dem lieben Gott seitdem nicht 
mehr arrivirt, und wirklich sind von da ab die Frauen immer die 
ersten, wo es gilt, die Werke der Liebe und Milde und Frömmigkeit 
zu schaffen, wo das edle Herz sich bewähren soll. Ich könnte von 
deren Eifer für die Erbauung des ersten jüdischen Gotteshauses in der 
Wüste sprechen, könnte erwähnen die rührende Aufopferung, mit welcher 
fie sogar ihre metallenen Spiegel — ein Opfer, das die modernen
	        
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