Volltext: Festschrift zur Erinnerung an die feierliche Einweihung des israelitischen Tempels in Linz des ersten in Oberösterreich

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Wenn wir uns heute an der Gesammtheit dieser Eigenschaften, 
an der Fülle seiner Tugenden gelabt, erquickt und ergetzt haben und 
dafür unsern Dank aussprechen, können wir diesen segensreichen Baum 
mit nichts anderem mehr segnen, als indem wir sagen: Möge dieser 
Mann mit seinen herrlichen Tugenden und Verdiensten noch lange 
Jahre ein Segen für das ganze Judentum, ein Segen fur seine Ge— 
meinde, ein Segen für uns, ein Segen für die Menschheit sein! Darauf 
und auf sein Wol und Heil erhebe ich mein Glas und bringe ein 
dreifaches Hoch: Mein geliebter Lehrer, Se. Ehrw. der Prediger Herr 
Dr. Jellinek lebe hoch! (Allgemeines Hochl) 
Toast auf Se. Ehrwürden Herrn Dr. Ad. Kurrein, Rabbiner 
der isr. Kultusgemeinde in Linz, von Sr. Ehrwürden Herrn Dr. Jellinek. 
Meine Herren und Damen! — 
Sie waren so freundlich, dem Toaste, der mir soeben ausgebracht 
wurde, Ihren Beifall zu schenken. Vielleicht habe ich ein kleines 
Anrecht auf Ihre Theilnahme, da Herr Dr. Kurrein sich unter meinen 
Auspicien in Wien zu seinem Rednerberufe ausgebildet hat. Ich sollte 
nun, wie es sich von selbst versteht, denselben in einem Trinkspruche 
leben lassen. Allein, wie der Mann vom Weibe, so ist der Prediger 
von der Gemeinde nicht zu trennen; ich muß daher vorerst der Linzer 
Gemeinde mich zuwenden. Als ich vor 16 Jahren hier war, traf ich 
Herrn Dr. jur. Kohn als Vertreter der jüdischen Sache, um die Er— 
richtung eines Friedhofes sich bemühend, und heute erblicke ich Herrn 
Med. Dr. Winternitz als Präses einer geschlossenen Gemeinde. Dies 
überraschte mich Anfangs, da der Mediziner in naͤherem Rapport zu 
Särgen und Gräbern steht, als der Jurist. Allein, Herr Dr. Winter— 
nitz als erfahrener Arzt bewährte sich auch, um ein neues Leben in 
der Linzer Gemeinde zu schaffen. Er auskultirte ihr Herz und fand 
es warm und lebenskräftig, berührte ihren Kopf, und er war kalt und 
gesund — also eine Gemeinde im Sinne unseres Herrn Ministers des 
Auswärtigen — und fühlte ihr endlich den Puls, und siehe da, er 
schlug normal und 'verriet eine Fülle von Blut. Gut, dachte der 
Herr Arzt-Präses, meine Gemeinde befindet sich in einem solchen Zu⸗ 
stande, daß man ihr etwas Gut und Blut nehmen kann: wir bauen 
einen Tempel! Kaum hörte Herr Wallerstein von einem Tempel, so 
wurde er sofort ergriffen und begeistert. Wer ist Herr Wallerstein? 
Vor Allem der Sohn seines Vaters, den ich selbst in Dresden kannte, und 
der das dortige Kultuswesen zur Blüte brachte. Im Sinne der
	        
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